24. Dezember: "Von der stillen Nacht" STILLE NACHT, HEILIGE NACHT!

Liebe Freunde,

Es gibt für mich für den heutigen Beitrag zum 24.Dezember nur ein einziges, in Frage kommendes Musikstück, welches auch erst ab dem heutigen Tag gespielt und gesungen werden darf::
Die Originalversion des wahrscheinlich berühmtesten Liedes der Welt, der Friedenshymne “Stille Nacht, Heilige Nacht”. Wie manche von Euch wissen, habe ich einen besonderen autobiographischen Bezug zu diesem Lied der Lieder: Joseph Mohr verfasste den Text zu Stille Nacht, Heilige Nacht zwei Jahre vor der Uraufführung in Oberndorf, im Jahre 1816 als Gedicht in meinem Heimatort Mariapfarr, wo er als Hilfspriester tätig war. Der besungene “Knabe im lockigten (kein Druckfehler) Haar ziert übrigens das Hochaltarbild unserer Basilika.

Ich möchte heute gar nicht mehr zu viele Worte verlieren und Euch mit meiner persönlichen Lieblingsversionen (mittlerweile durfte ich ja schon ein paar Einspielungen selbst mitgestalten) von STILLE NACHT, mit allen - vielleicht vielen gar nicht so bekannten - sechs Strophen ein frohes, beseeltes, ruhiges und schönes Weihnachtsfest wünschen. Unter den Interpreten der heutigen Aufnahme sind auch zwei ganz besondere Menschen, die schon einen wichtigen Platz in diesem Adventskalender eingenommen haben und uns mit Ihrer Stimme und Ihrem musikalischen Gespür in Türchen Nummer 5 und 6 erfreut haben. Bestimmt erkennt Ihr sie wieder!

Abschließend bleibt mir noch, mich bei Euch aus tiefstem Herzen zu bedanken: Danke, dass Ihr mit diesem, meinem Herzensprojekt so eine Freude hattet, es war mir eine große Ehre, mit Euch diese kleine Adventsreise gehen zu dürfen.

FROHE WEIHNACHTEN! ❤️
Euer Rafael

23.Dezember "Vom Schenken und Helfen" KLEINES WEIHNACHTSKONZERT ZU GUNSTEN DER CARITAS-WINTERHILFE

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

Heute möchte ich Euch den für mich persönlich emotionalen Höhepunkt dieses Adventskalenders vorstellen und möchte Euch vorab bitten, dass Ihr mich, wenn es Euch irgendwie möglich ist, bei meinem kleinen Weihnachtswunder unterstützt. Alle nötigen Infos dazu findet Ihr im unterstehenden Link - dort ist auch das Video noch einmal eingebettet, falls ihr es gerne versenden oder teilen wollt.
Danke -von ganzem Herzen!

Bitte lasst mich die Geschichte nun von ihrem Beginn an erzählen:
Was hier vor ein paar Wochen als kleines, privates Projekt begonnen hat, ist seit dem ersten Dezember von tausenden Menschen besucht und begleitet worden. Ich bin nach wie vor überrascht und tief berührt über dieses Interesse. Ein besonderes Dankeschön alle, die diese Adventreise bis heute mitgemacht haben und mich dadurch tief inspiriert haben. Mein Klavierpartner SASCHA EL MOUISSI und GEORG BURDICEK vom Tonzauber-Studio im Wiener Konzerthaus und ich haben überlegt, wie wir Euren/Ihren lieben Zuspruch spontan in eine weihnachtliche, sinnvolle und gute Tat verwandeln können. In wunderbarer Zusammenarbeit mit der CARITAS ÖSTERREICH ist innerhalb kürzester Zeit ein wunderschönes Projekt entstanden: Ein kleines Weihnachtskonzert, das wir im Rahmen eine Liveaufzeichnung gestern Abend aufgenommen und seit Mitternacht auf der sehr schön gestalteten Spendenseite online zur Verfügung gestellt haben. Es war uns ein HERZENSANLIEGEN - gerade in so schwierigen Zeiten - zum Abschluss mit einem Benefiz-Weihnachtskonzert einen kleinen Teil dazu beizutragen, jene Menschen unserer Gesellschaft zu unterstützen, die nicht so viel Glück haben wie wir, in Not geraten sind und/oder das Weihnachtsfest und den Winter ohne Obdach erleben müssen.  Hoffentlich können wir mit unserer musikalischen Begeisterung viele Menschen inspirieren:

“STILLE UND NACHT”
Ein kleines Weihnachtskonzert zu Gunsten der österreichweiten Caritas-Winterhilfe
Rafael Fingerlos, Bariton
Sascha El Mouissi, Klavier
Liveaufzeichnung vom 22.Dezember 2020:

www.caritas.at/weihnachtskonzert

Unser ganz großer Weihnachtswunsch ist es, dass so viele Menschen wie möglich von dieser Aktion erfahren und sich mit ihrer FREIWILLIGEN SPENDE aktiv beteiligen, damit wirklich geholfen werden kann, dass das Weihnachtsfest 2020 auch für in Armut lebende Menschen ohne Obdach ein schönes werden kann.
Auf dem mit ganzem Herzen musizierten Programm "Stille und Nacht" stehen bekannte und berührende Melodien von Peter Cornelius, Robert Fürstenthal, Johannes Brahms und Carl Bohm. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal ganz herzlich bei der Caritas Österreich bedanken, die unser sehr spontanes Anliegen so schnell und wunderbar umgesetzt hat und uns die Möglichkeit gibt, aus einem guten Gedanken eine gute Tat entstehen zu lassen.  Wir hoffen sehr, dass wir Euch/Ihnen, damit einerseits eine weihnachtliche Freude machen konnten!  Über die Weihnachtsfeiertage, vom 23. bis zum 28. Dezember, gibt es die Möglichkeit, eine Spende abzugeben, mit jedem Betrag wird geholfen. 

Abschließend möchten wir Ihnen aus tiefstem Herzen ein frohes, besinnliches und wunderschönes Weihnachtsfest wünschen und uns von ganzem Herzen für Ihr Zuhören und Ihre Mithilfe bedanken!  Mit einer leicht adaptierten Form der letzten gesungenen Zeile unseres Konzertes möchten wir schließen: Schenkt/Schenken Sie bitte Euer/Ihr Herz! Danke! ❤️ 

Rafael, Sascha und Georg.

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22.Dezember: "Von den Weihnachtsvorbereitungen" JAUCHZET, FROHLOCKET!

In den vergangenen Jahren waren die unmittelbar letzten Tage vor Weihnachten immer weit von einer einkehrenden Besinnlichkeit entfernt. Der Dezember war ein normalerweise ein reicher Konzertmonat und unmittelbar vor Weihnachten wurde an der Wiener Staatsoper traditionell die Zauberflöte gespielt, gefolgt von der ebenso traditionsreichen Neujahrs-Fledermaus zum Jahreswechsel. Als Konzertsolist, Papageno und Dr. Falke war ich also im Höchsteinsatz, immer nahe am Limit meiner Kräfte und ob der Wichtigkeit der Partien auch ständig unter Druck. Nicht zuletzt deshalb konnte ich das Weihnachtsfest höchstens punktuell - am 24. und 25. Dezember - feiern und genießen. Selbst an diesen beiden Tagen war es mir dann oft nicht möglich, den Kopf für einen Moment komplett auszuschalten. Mein Umfeld und meine Familie hat das immer mitgetragen und mir geholfen, die hohen Feiertage trotzdem so schön wie möglich zu gestalten. 

Heuer ist das anders. Heuer ist alles anders.
Die Zeit scheint still zu stehen, viel vom sonst so präsenten Lärm ist, wie von einem noise-cancelling Kopfhörer weggeschaltet, verschwunden. Die plötzlich so präsente Ruhe hat zwangsweise dazu geführt, dass ich mich in den letzten Wochen und Monaten sehr viel mit mir selbst beschäftigten musste, aber auch endlich wieder einmal das Lernen und meine Weiterentwicklung ins Zentrum stellen konnte. Ein weiterer, vielleicht der wichtigste Aspekt dieser schwierigen Phase: Ich durfte viel, viel kostbare Zeit mit meiner Familie verbringen.
Durch diesen Adventskalender hatte ich zudem seit langer Zeit wieder einmal die Möglichkeit, mich auch seelisch auf ein Weihnachtsfest vorzubereiten und so der eigentlichen Bestimmung des Advents zu folgen.
Der jährliche Einkaufs-Wahnsinn blieb ebenfalls aus, die großen beruflichen Aufgaben im In- und Ausland entfielen - leider -  auch fast zur Gänze. Dafür ist dieses Jahr eben eine Stille eingekehrt. Und irgendwann konnte ich sie dann auch zulassen, und die Situation nützen - für eine so dringend notwendige Regeneration - körperlich wie geistig.
Nicht zuletzt deshalb kann ich heuer aus tiefstem ehrlichstem Herzen sagen: Ich bin in Weihnachtsstimmung. Trotz - oder vielleicht auch gerade wegen dieses herausfordernden, denkwürdigen und prägenden Jahres.

Selbst in den wildesten, vorweihnachtlichen Stress-Perioden der vergangenen Jahre, gab es zum Glück immer einen verlässlichen musikalischen Trigger, der spätestens am Vormittag des 24. Dezember auch bei mir die sehnlichst erwarteten Weihnachtsgefühle ausgelöst hat: .„JAUCHZET, FROHLOCKET“ schallte es dann - in guter Familientradition - aus den Lautsprechern des Plattenspielers.
Schon seit Jahren läuft bei uns die gleiche, in Ihrer Gesamtheit so unvergleichliche, Harnoncourt-Einspielung des WEIHNACHTSORATORIUMS von JOHANN SEBASTIAN BACH.
Überhaupt gilt und galt: Keine Feiertag ohne Weihnachtsoratorium - egal ob als Hörgenuß oder im allerbesten Fall sogar selbst im Advent auf der Konzertbühne gesungen - zumindest die ersten drei Kantaten gehören für mich untrennbar zur Vorbereitung auf das himmlische Wiegenfest.
Verbunden mit dem herrlichen Duft von frischen Vanillekipferln, Kerzen und Tannenzweigen, Weihrauch, dem Geruch von Lungauer Bauernbratwürsten (eine Weihnachts-Spezialität aus meiner Heimat), mir sehr wichtigen Musikstücken und der wahrscheinlich wichtigsten Zutat - einem offenen Herzen - wurde es Gott sei Dank noch immer kurz Weihnachten.

“Jauchzet, Frohlocket - oft preiset die (kommenden) Tage!”  - Euch und Ihnen Allen wünsche ich von ganzem Herzen, dass ihr aus diesem so speziellen Weihnachtsfest 2020 so viele positive Aspekte (und negative Testungen) wie möglich ziehen könnt, und dass es insgesamt zwar vielleicht anders, aber dafür auch eine Spur bewusster, sensibler und besinnlicher wird.



21.Dezember: "Von der guten Laune" ES MUSS WAS WUNDERBARES SEIN

Liebe Freunde,

Nur die Wenigsten von Euch wissen wahrscheinlich, dass auch RALPH BENATZKY, der Schöpfer so vieler wunderbarer und bekannter Operettenmelodien, im Jahr 1940 auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus in die USA emigrieren musste. Mir selbst wurde das erst bewusst, als wir zusammen mit Vinzenz Praxmarer und dem Orchester Divertimento Viennese (An dieser Stelle: Ihr wart großartig! Danke!!) das Programm „Sehnsucht nach Wien“ erarbeiteten.
Dieses besondere Konzert, welches am 5. Juli - vor Publikum - im Brucknerhaus seine Premiere hatte, war ein persönlicher Höhepunkt meines musikalischen Jahres.
Benatzkys grundpositive Art Musik zu schreiben, hat er sich übrigens auch in den Vereinigten Staaten nach seiner Flucht und bis zu seinem Lebensende beibehalten.
„Es muss was wunderbares sein“ entstand etwa zehn Jahre früher, als Hit der Operette „IM WEISSEN RÖSSL”, welche völlig zu Recht als Krönung seines großen, musikalischen Lebenswerks gilt.

Schon bei den Proben für unser Konzert habe ich mich in diese Salonlöwen-Nummer verliebt. Sie vereint so vieles, was mir in der Musik und im Leben wichtig ist: Gefühl, Stil, Humor, Empathie, Groove, eine direkt ins Herz gehende Melodie und - ganz wichtig - eine gesunde Portion Selbstironie.
Während der Probenarbeit und natürlich auch später im Konzert, hat sich ein weiterer, ganz besonderer Effekt dieses so einprägsamen Werkes gezeigt: Bei wirklich jedem einzelnen Durchlauf mussten Orchester, Dirigent, Solist und dann auch das Publikum lächeln, da dieses Stück einfach unmittelbar gute Laune, und schöne Gefühle verbreitet. Auch noch Wochen später hab ich mich dabei ertappt, wie ich diesen Ohrwurm auf und ab gesummt hab: Beim Kochen, Duschen, Laufen, Zähneputzen, im Auto - einfach überall musste “etwas Wunderbares” sein.
Meine absolute Lieblingsstelle ist übrigens der vom Orchester übernommene und zu einem swingenden BigBand-Part verwandelt Refrain. Der hier zum Vorschein kommende Sound löst bei mir seit Kindertagen große Glücksgefühle aus - mein Papa blick eine wunderbare BigBand-Vergangenheit zurück und hat mir die Liebe zu diesen Klängen zum Glück weitergegeben.

Ihr seht schon, “ES MUSS WAS WUNDERBARES SEIN” ist so etwas wie mein vorweihnachtlicher „Gute-Laune-Joker, “Stress-Killer" und soll Euch zum Wochenanfang einfach Gutes tun - dafür ist dieser “Feelgood”-Sound prädestiniert. Wenn ich dem Kellner Leopold bei seinem heimlichen Liebesständchen an die Rössl-Wirtin zuhöre, kann ich nicht anders, als lächelnd und optimistisch in die Zukunft zu blicken. Die Vorfreude auf Bar-, Kaffeehaus- oder Restaurantbesuche - ja sogar auf die eine oder andere Tanzeinlage auf dem Parkett eines (Wiener)Balls - steigert sich ins Unermeßliche.
Die Zeiten, in denen das wieder selbstverständlich möglich sein wird, kommen ganz bestimmt und hoffentlich sehr bald. Eines hab ich mir jedenfalls ganz fest vorgenommen: Wann immer es so weit ist, werde ich versuchen, diese wunderbaren Dinge noch viel intensiver als bisher zu genießen.

Nicht zuletzt möchte ich mit diesem Beitrag eine kleine Lanze für das Genre Operette brechen, welches in den letzten Jahren leider - völlig zu unrecht - immer weniger Beachtung bekommt. Als österreichischen Kulturmenschen muss uns bewusst sein, welche musikalischen Schätze uns hier geschenkt und erhalten wurden. Pflegen wir sie bitte, diese wunderbare Tradition - als Künstler, Veranstalter und Publikum! So- genug geredet, jetzt geht’s an den schönen Wolfgangsee…

Euer Rafael 


20.Dezember: "Von der Liebe zur echten Volksmusik" - FEICHTE WIES’N (Jung&Frisch/Markus Oberleithner)

Es war eine Nacht im Herbst, ich konnte nicht schlafen und habe meine Gedanken hin und her gewälzt. Am Nachmittag zuvor hatte ich wieder eine herbe Absage fürs Frühjahr „einstecken“ müssen, nicht zuletzt deshalb war ich frustriert und konnte trotz großer Müdigkeit kein Auge zutun. Wie oft in solchen Situationen bin auf der Suche nach guter Musik, die mich berührt und aufmuntert, durch die unendlichen YouTube-Weiten gesurft.  Viele meiner ganz persönlichen “Hits” habe ich nur kurz angespielt, doch eigenartiger Weise wollte mich nichts so richtig in Laune versetzen - im Gegenteil, diese ziellose Suche hat die Lage eher noch verschlimmert.

„Es ist so weit. Heute berührt mich Musik nicht.“  - habe ich, dramatisch (und vielleicht nicht ganz ernst gemeint) ,mit Datum versehen, in meinem Notizbuch aufgezeichnet.

Es war schon drei Uhr nachts, ich war gerade auf der Suche nach aktuellen Stücken von HERBERT PIXNER (sein „Pixner Projekt“, sein Zugang nur „neuen“ Volksmusik und seine Kreativität auf der Diatonischen Ziehharmonika waren sehr prägend für meinen musikalischen Werdegang - er hätte daher definitiv ein eigenes Türchen verdient. Wen diese Art von Musik berührt, dem sei an dieser Stelle eine kurze Internetrecherche und Höreinladung zu Pixner-Stücken wie  „Sternlein flieg“,“Vierteljahrhundert Dreiviertler, “Beautiful Seeres” oder “Augenstern Walzer” ans Herz gelegt..) als mir neben dem Videofenster noch einen Beitrag aus der ORF Licht ins Dunkel-Gala von 2018 vorgeschlagen wurde. Zunächst hätte wieder fast weitergeklickt, da mich der Titel nicht angesprochen hat. “Bevor ich das Notebook für heute weglege, nehme ich mir noch drei Minuten”, dachte ich mir und drückte auf “play”.

Aus diesen drei Minuten ist mitten im Herbst eine (vorweihnachtliche) Volksmusik-Hörnacht geworden. Das so feine Zusammenspiel, der einfache aber geniale Stimmenwechsel, die urmusikalische Phrasierung, die Natürlichkeit - die drei Musikerinnen von Jung&Frisch lassen diese Dinge zur Selbstverständlichkeit werden. Alles klingt so, wie ich es selbst auf der Diatonischen gelernt und lange Jahre versucht hatte. Die groovigen Nachschlage (die ich ja schon einmal im Familienmusik-Beitrag beschrieben habe) sind die Kirsche auf dem einfach wunderbar musizierten Vortrag. Jede einzelne Note wird so musikantisch vorgetragen und hat mich vom ersten Akkord an berührt. Dazu war da plötzlich ein Stück, dass ich nicht kannte und das mich - das ist, gerade, in der Volksmusik wirklich eine ganz, ganz große Ausnahme - musikalisch und melodisch wirklich überrascht hat. Besonders das Trio ging mir direkt “unter die Haut".

Da ich das Stück unbedingt während der Weihnachtsfeiertage lernen möchte, habe ich mir erlaubt, ein klein wenig nachzuforschen: Der - leider im YouTube-Video nicht erwähnte - Komponist dieser einfachen und zugleich berührend schönen Harmonien, ist ein junger Tiroler Ziach-Virtuose, der nicht nur überragend Diatonische spielen kann, sondern auch ganz offensichtlich auch ein sehr feines, musikalisches Gespür hat. Umso mehr war es mir ein großes Anliegen, ihn an dieser Stelle zu erwähnen und mich so für dieses wunderbare kleine Volksmusik-Schmuckstück zu bedanken.

“Musik berührt mich wieder“, habe ich, mit einem breiten Lächeln im Gesucht - diesmal mit Datum und Uhrzeit versehen - ein paar Stunden meinem Notizheft festgehalten. Wieder einmal war es die - in Ihrer Einfachheit so geniale - Volksmusik, die mich aus einer kurzfristigen Gefühls-Talsohle geholt hat.



19.Dezember "Von der Romantik" - RIENZI OUVERTÜRE & CHRISTIAN THIELEMANN

Mit dem letzten hier vorgespielten Orchesterstück, der wundervollen Alpensinfonie von Richard Strauss, habe ich ja schon meinen Hang zur hochromantischen Orchestermusik offenbart. Die Dramaturgie macht es relativ schwer, nach diesem symphonischen Gipfelsieg  - ohne größere Fallhöhe - noch etwas ähnliches zu präsentieren oder gar „einen drauf zu setzen“. Wenn es  - meiner persönlichen Meinung nach - einen Komponisten der (Hoch)Romantik gibt, den man am ehesten in einem Atemzug mit Richard Strauss nennen könnte, ja vielleicht sogar muss, dann wäre sein Namensvetter Richard Wagner. Wagner war mit seiner Tonsprache, Motivik, Orchestrierung und seinem künstlerischen Gesamteinfluss, Grundlage und Vorbild für fast alle seiner Nachfolger und Nacheiferer.

Als eingefleischten Wagnerianer würde ich mich zwar nicht unbedingt bezeichnen (wobei man hier vielleicht ein „noch“ einfügen sollte - ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen die irgendwann in diese Welt hineingewachsen sind) - und doch lässt mich diese Tonsprache nicht los und die Musik übt eine riesengroße Faszination auf mich aus. Da in dieser Saison meine (leider abgesagten) Debüts als BECKMESSER und WOLFRAM angestanden wären, habe ich mich in letzter Zeit besonders intensiv mit Wagners Musik beschäftigt. Für fast jedes Werk gilt, dass es seiner Gesamtheit eine unglaubliche Dimension und fast nicht zu beschreibende Kraft hat. Vor allem sind es im Endeffekt aber - wie heute in der RIENZI-OUVERTÜRE - einzelne Themen und Melodien, die mich auf eine unbeschreibliche Art und Weise packen und berühren.

Dass ich eine von CHRISTIAN THIELEMANN dirigierte Aufnahme ausgesucht habe, ist kein Zufall:
Im September 2017 durfte ich ihn im Rahmen einer Arbeitsprobe an der Semperoper persönlich kennenlernen, ich habe etwa fünf Minuten vorgesungen und er hat mich prompt als  Harlekin „seiner“ Ariadne-Premiere im November 2018 engagiert. Das war dann auch unsere erste Zusammenarbeit, es folgten in der vorigen Saison eine legendäre „Frau ohne Schatten“ an der Wiener Staatsoper sowie ein Gastauftritt im Pausenfilm „seines“ Neujahrskonzertes 2019 mit den Wiener Philharmonikern. 
Seine unfassbare Musikalität, sein außergewöhnliches Gespür für Klang und das Orchester, sein unbändiger Wille zur Perfektion und seine in dieser Form nur ganz selten erlebte Fachkompetenz - all diese Qualitäten machen ihn für mich zu einem der allergrößten Meister unserer Zeit. Persönlich half er mir besonders, da er mir als ganz junger Sänger so spürbar das Vertrauen schenkte und dies unterstrich, indem er mich in den Vorstellungen, unter anderem während der Harlekin-Arie, ganz frei musizieren ließ und, sich zurückgelehnt mich wundervoll musikalisch getragen hat. Ich habe das als große, außergewöhnliche Ehre empfunden und in unserer Zusammenarbeit auf der Bühne so viel gelernt wie nie zuvor.

Über Herrn Thielemann könnte ich einen ganzen, eigenen Beitrag schreiben, ein mich sehr beeindruckendes Erlebnis möchte ich an dieser Stelle erzählen: Bei einer Bühnenprobe der “Frau ohne Schatten” an der Staatsoper gab es eine heikle Ensemblestelle und ich hatte einen musikalisch etwas schwierigen Einstieg, der noch dazu durch die - aus szenischen Gründen - große Distanz und schlechte Sicht erschwert wurde. Aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund hat die Stelle gar nicht funktioniert - ich war mir relativ sicher, dass ich korrekt gesungen hatte. Dann passierte folgendes: Thielemann bricht ab. 8 von 10 Dirigenten würden jetzt - zumindest meiner Erfahrung nach und ganz besonders, wenn es sich um ein weltberühmtes Orchester handelt - dem jungen Sänger auf der Bühne die Schuld geben, ein Exempel statuieren, versuchen dadurch Konzentration und Autorität zu kreieren und dann fortfahren.
Nicht so geschehen in dieser Situation: Thielemann bleibt ganz freundlich und ruhig, blickt in die hundert Stimmen fassende und so komplizierte Partitur, und bittet dann das zwei Instrumentalisten höflich, im Takt davor nicht zu laufen, da der arme Sänger sonst keine Chance hätte. Die beiden nicken tragen das ein, wir wiederholen die Stelle unaufgeregt und sie funktioniert von da an in jeder einzelnen Vorstellung perfekt. Dieser Blick fürs kleinste Detail - immer im Sinne der Musik und Qualität -  gepaart mit seiner fachlichen Autorität, Fairness und direkten Art haben bei mir tiefen Eindruck hinterlassen. 

Nicht zuletzt schätze ich an der heutigen Aufnahme besonders, dass sie in der SEMPEROPER DRESDEN aufgezeichnet wurde. Wie ihr ja mittlerweile wisst, durfte ich in diesem ehrwürdigen Haus mein Operndebüt feiern und seitdem seine überragende AKUSTIK in vielen Vorstellungen genießen. Dieses Merkmal macht sie auch für Konzerte wunderbar geeignet, man findet dort - auch als Sänger - gerade zu ideale Bedingungen vor. Ein zweiter Grund für meine hohe Affinität zu diesem, meinem zweiten Herzenhaus ist die dort ansäßige STAATSKAPELLE DRESDEN, die mich bei jedem gemeinsamen Musizieren aufs Neue durch Ihre Vielseitigkeit, ihren zauberhaften Streicherklang, ihr Zusammenspiel und Ihre so auffallend hohe Gesamtmusikalität beeindruckt. All diese Attribute werden unter der Leitung Ihres Chefdirigenten besonders hör- und spürbar.

18.Dezember "Von der Freundschaft" - GASTBEITRAG Sascha El Mouissi & SCHUBERT AN DEN MOND D296

Liebe Freunde,

Heute, am 18.Dezember, gibt es das Gast-Türchen eines ganz, ganz wunderbaren Menschen und lieben Freundes, den ich Euch schon öfters im Rahmen meiner Beiträge - sowohl im Text als auch musikalisch - vorgestellt hab: Sascha El Mouissi. Auf diesen Beitrag habe ich mich persönlich schon sehr lange gefreut!

Lieber Sascha, 

Vielen herzlichen Dank, dass Du Dich bereit erklärt hast, mein Herzensprojekt mit Deinen Gedanken zu bereichern. Ich könnte mich nicht glücklicher schätzen, Dich meinen Freund nennen zu dürfen und 
es ist meine größte Freude und Ehre, mit Dir gemeinsam Musik machen zu dürfen.
Danke, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen! #liedrebellen

Euer/Dein Rafael


Lieber Rafael, liebe Freunde und Follower von Rafaels persönlichem Adventskalender! 

 Es ist für mich eine ganz besondere Wonne in Deinem liebevollen Adventskalender, dessen Beiträge ich jeden Tag mit großer Freude verfolge, ein Türchen gestalten zu dürfen. 

Es ist mir von unzunennendem Wert sich mit Dir gemeinsam der Liedkunst widmen zu dürfen, während unsere Freundschaft als Fundament für diese feinfühlige und sensible Arbeit dient. Die Verbundenheit Franz Schuberts und seines Sängerfreundes Johann Michael Vogl ist für uns Quell der Inspiration, ebenso wie dessen „An die Musik“, eines seiner vielleicht schönsten und zeitlosen Lieder auf ein Gedicht seines engen Freundes Franz von Schober und zugleich eine Lobeshymne auf die Kunst der Musik.  

 Es ist eine Freude zu spüren, wie jeder dem Anderen seelisch etwas gibt, wie Energie, Spontanität, Hingabe und Leidenschaft für die selbe Sache geteilt werden, und dass man sich blind versteht, einander vertraut, gegenseitig inspiriert und befeuert. 
Dabei waren wir an unserem Karriere-Anfang bei einem Wettbewerb als Konkurrenten angetreten, doch haben wir musikalisches Wettstreiten eigentlich nie ganz Ernst genommen. Mittlerweile dürfen wir auf eine Vielzahl gemeinsamer CD-Aufnahmen und Liederabende zurückblicken, von denen jeder einzelne für mich einen ganz persönlichen Höhepunkt darstellt. 

 Aus unserem letzten Liederabend vor dem Lockdown bei der Stiftung Mozarteum in Rafaels Heimatstadt Salzburg im Oktober diesen Jahres, möchte ich das heutige Video vorstellen, da mich Musik und Dichtung immer wieder auf wundersame Art und Weise neu beeindrucken.  

„Selig, wer sich der Welt 
Ohne Hass verschliesst, 
Einen Freund am Busen hält 
Und mit dem geniesst,“ 

 So lauten die tief gehenden und humanistischen Worte Goethes in Schuberts Vertonung „An den Mond“, die unsere Seelen berühren und nähren.  
Es ist verblüffend, dass wir sowohl die Ernsthaftigkeit im Künstlerischen teilen, als auch den Genuss, zusammen zum Heurigen und ins Kaffeehaus zu gehen, und dass wir beide das unersättliche Bedürfnis verspüren mit unserem Musizieren der Menschen Herzen zu öffnen und Trost zu spenden.  

 Eine schönen und besinnlichen 4. Advent wünscht Ihnen/Euch von Herzen, 

Sascha (El Mouissi) 

17.Dezember: "Von den Alpen" - AM GIPFEL (EINE ALPENSINFONIE)

Mit einem markanten Bläsersignal geht die Bergtour los und wir starten heute heute ausnahmsweise gleich „Am Gipfel“: Die sinfonische Dichtung „Eine Alpensinfonie“ von Richard Strauss ist ganz großes Kino - kein Bergfilm der Welt könnte sich einen besseren Soundtrack wünschen.
1915 vollendet das spätromantische Genie sein Meisterwerk, welches ursprünglich auf eine autobiographische Begebenheit zurückgehen soll, in welcher sich der 15-Jährige Strauss bei einer Wanderung verstiegen hatte und in der Folge in ein starkes Gewitter geriet.
Wie prägend und urgewaltig ein solches Naturerlebnis in freiem, alpinen Gelände sein kann, hab auch ich selbst bereits in meiner Kindheit erlebt.
Apropos Kindheit: Die Alpensinfonie löst in mir sofort tiefe Heimatgefühle und Sehnsucht nach den Bergen aus - ich muss dann beim Hören nur meine Augen schließen und schon führt mich meine Fantasie direkt in die heimatlichen Alpen. 

Als unerreichter Meister der Programmmusik gelingt es dem Komponisten, einen wundervollen Film vor dem geistigen Auge der Hörerinnen und Hörer entstehen zu lassen. Man muss kein erfahrener Hochalpinist sein, um sich plötzlich wie im Adlerflug zu fühlen oder einen Fantasie-Gipfelsieg auf 3000 Metern zu feiern.
Strauss nimmt uns mit auf eine Bergtour, die, wie es sich gehört, bei Nacht beginnt, den Sonnenaufgang und Anstieg beschreibt, an einem Wasserfall vorbeiführt und seinen großen Höhepunkt am Gipfel hat. Jeder, der schon einmal am Berg war weiß: Das Schwierigste kommt erst, und zwar in Form des Abstiegs. Auch in der Alpensinfonie führt dieser durch Sturm und Gewitter bis die ganze Tour schließlich wieder in Stille und Nacht ihr Ende findet.
Für mindestens 107 - im von Strauss geforderten Idealfall sogar 130 - Musikerinnen und Musiker komponiert, ist dieses Werk auch für Orchester und Dirigent eine große Herausforderung.
Es zeigt die ganze Farbpalette und alle musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten eines Klangkörpers. Die Berliner Philharmoniker (unter dem fantastischen Semyon Bychkov) sind ja unter anderem für Ihren großartigen Bläsersatz bekannt. Eine Qualität, welche in dieser Tondichtung besonders gut zur Geltung kommt und die sie auch in der heute vorgestellten Einspielung wieder einmal hinlänglich beweisen.

Generell habe ich zu Werken, die aus der Feder von Richard Strauss stammen, eine ganz besondere Beziehung. Aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund führt der Komponist die Melodie immer wieder ganz genau dort hin, wo ich es mir aus tiefstem, musikalischstem Herzen wünsche. Diese Erfahrung habe ich vor allem immer dann gemacht, wenn ich eines seiner Werke kennengelernt und zum allerersten Mal gehört habe. Mit der fast einzigartigen Melodieführung allein ist es aber noch nicht getan: Es ist schlicht und einfach genial, wie Strauss mit Harmonien umgeht, mit welchem Farbenreichtum er orchestriert - ich kann und will mich diesen romantischen musikalischen Wunderwerken nicht entziehen.
Darüber hinaus versteht er es wie nur wenige andere Komponisten, die menschliche Stimme so perfekt einzusetzen. Sein großes Gespür für klassischen Gesang mag auch daran liegen, dass seine Frau selbst Sopranistin war und so viele seiner Werke (von Strauss selbst am Klavier begleitet) aufgeführt hat. Seine Lieder sind für mich übrigens die Schnittstelle zwischen meinen beiden Herzensangelegenheiten, dem Kunstlied und der Oper - wann immer ich selbst ein Programm gestalte, dürfen sie in selbigem nicht fehlen.

Vor wichtigen Vorstellungen, oder nach langen Probephasen bin ich öfters mit Kopfhörern hinter der Bühne anzutreffen - Menschen, die mit mir gearbeitet haben, kennen das ja nur zu gut. Das hat eigentlich praktische Gründe: Erstens bekommt man dann seine Ruhe, muss man nicht ständig reden und kann so die Stimme schonen. Und für den Fall, dass ich Inspiration brauche, hole ich mir selbige dann gerne genau mit schönen Aufnahmen. Die Alpensinfonie ist im Ranking dieser geheimen Playlist sehr weit oben anzutreffen. Vor allem, wenn es mir an Energie mangelt, wird sie so etwas wie mein ganz persönlicher musikalischer Zaubertrank, der mir (Adler)Flügel verleiht und meine Fantasie in Höchstform bringt. Vielleicht geht es Euch ähnlich - es liegt ja eine unglaubliche Urkraft in diesem Werk - und die können wir alle aktuell ja gut gebrauchen!



16.Dezember: "Vom Debütieren und dem Zauber des Anfangs" - LIEBEN, HASSEN, HOFFEN, ZAGEN & HALT

Hermann Hesse hat es einmal so formuliert: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft.zu leben“
Nun ja, so richtig BESCHÜTZT habe ich mich ehrlich gesagt nicht gefühlt, als ich, frisch vom Young Singers Project der SALZBURGER FESTSPIELE kommend, im Jänner 2016 als  PAPAGENO an der SEMPEROPER mein Rollen- und Hausdebüt feiern durfte. Eher hat es sich angefühlt, als würde man in einen wunderschönen, aber eiskalten und unbekannten Gebirgssee springen, ohne zu wissen, ob man überhaupt schwimmen kann. Die Regie habe ich wochenlang und minutiös anhand eines alten Premierenvideos einstudiert, der musikalischen Part war bereits in meiner Jugend in- und auswendig gelernt.
Den szenischen Feinschliff holte ich mir dann - mangels Probebühne - in einem, zusammen mit meinem Papa selbstgebauten Bühnenbild aus Matten, Kästen und Seilen - während der Weihnachtsferien in der Turnhalle der Hauptschule Mariapfarr. In Dresden angekommen, durfte ich dann zum ersten Mal in die Welt eines großen Opernhauses eintauchen. GEHOLFEN wurde mir dort von allen Seiten: Von meinen Kolleginnen und Kollegen (besonders von „meinem“ ersten Tamino, Martin Mitterrutzner oder meinem Garderoben-Nachbarn und Zarastro, dem fantastischen Georg Zeppenfeld), sowie von den wunderbaren Spielleitern und Verantwortlichen der Semperoper. Maßgeblich für einen gelungenen Einstieg war aber das große VERTRAUEN, welches in mich gesetzte wurde. Rückblickend war das der wahre ZAUBER, der diesem Debüt inne wohnte.  Am Ende blieb da - obwohl ich selbst aus Nervositätsgründen gar nicht so viel mitbekommen habe- ein zum Glück sehr erfolgreicher, spielfreudiger Abend und der Beginn einer tiefen Freundschaft zur Sächsischen Staatsoper.
Das schönste und ehrlichste Kompliment nach einer gelungenen Vorstellung ist immer eine Wiedereinladung: ich durfte von diesem Tag an für viele, wunderbare Opernabende an mein zweites Herzenshaus zurückkehren - zuletzt als Harlekin unter Christian Thielemans oder als Figaro im Barbiere di Siviglia. Eine Aufnahme von dieser, für mich persönlich bislang wichtigsten Premiere, gibt es leider nicht - die dankbare Erinnerung bleibt sehr präsent. 

Für mich gilt und galt immer: Jener Ort, an welchem ich mich im Moment gerade befinde und wirke, ist perfekt. Das war während des Studiums so, in der Kirchenmusikszene in Salzburg ganz ähnlich und gilt bis heute: Ich versuche weder zu viel zurück, noch zu ausladend in die Zukunft zu schauen.
Es sind die zahlreichen Aufgaben im “Hier und Jetzt”, die mich faszinieren und die meine volle Aufmerksamkeit genießen. Eine Konstante von allen diesen Stationen ist und war die Freude an der Entwicklung und am „Handwerk“ Singen selbst. Mein beruflicher Weg verlief dann manchmal so schnell, dass ich selbst gar nicht mehr mitgekommen bin:

Nur wenige Monate später erfüllte sich ein absoluter künstlerischer Lebenstraum. Gegen Ende der Spielzeit 2015/2016 wurde ich als festes Ensemblemitglied an die Wiener Staatsoper engagiert. Dort angekommen, galt es zunächst einmal Repertoire, Repertoire und noch einmal Repertoire zu lernen und mit den großen Aufgaben (möglichst schnell) zu wachsen. Meine allererste Feuerprobe auf der Bühne war dann - wieder einmal - der Harlekin in Ariadne auf Naxos. Zwar nicht im Haus am Ring (das Wiener Hausdebüt erfolgte dann als Dr. Falke in der Fledermaus), sondern im Rahmen eines Gastspiels der Wiener Staatsoper in Tokio. Mit auf Tournee war die 1A Besetzung der Wiener Philharmoniker, unter dem großartigen Dirigat Marek Janownskis und mein echtes Staatsopern-Debüt wurde von so wunderbaren Kolleginnen und Kollegen wie Daniela Fally, Stephen Gould, Wolfgang Bankl oder Gun-Brit Barkmin bereichert. In Dresden war ich mir der Schwierigkeit der Herausforderung zwar durchaus bewusst, durfte aber trotzdem eine Art Welpenschutz genießen und konnte als Papageno meine jugendliche Unbekümmertheit und meinen Schmäh voll ausspielen. In Wien, etwas später, gestaltete sich die Situation schon ein wenig anders. Das mag rückblickend auch daran liegen, dass ich mir als österreichischer Sänger an diesem, meinem Heimathaus immer besonderen Druck auferlegt habe, da ich mir zu jeder Sekunde der Tradition, Ehre und Verantwortung, die man als Repräsentant der Wiener Staatsoper nun einmal hat, bewusst war.
Meine ersten, in einer Staatsopern-Vorstellung von mir gesungenen Minuten, seht ihr heute im Originalvideo - die Harlekin-Arie ist ja gleich am Beginn des Stückes. Das war ein kleiner Moment in einem von Höhepunkten gespickten Staatsopernjahr, aber ein ganz, ganz großer in meinem persönlichen Werdegang. 
Bis heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an die so wunderbar gespielte Klarinetten-Einleitung von Matthias Schorn und meine zeitgleiches Herzklopfen denke:
Nur Augenblicke später war wieder der Zauber des Vertrauens spürbar, jede Nervosität ist verschwunden und ich war einfach nur glücklich, zusammen mit so großartigen Musikerinnen und Musikern auf der Bühne stehen zu dürfen. Es war ein wunderbarer Einstand fern von Wien, und mit der Zeit folgten auch in der Hauptstadt der Musik viele wunderbare (Traum)Rollen und eine wunderschöne Beziehungsgeschichte, die hoffentlich bald um Ihr nächstes Kapitel erweitert wird.

Alle guten Dinge sind drei: Ein Debüt, das für mich als Liedliebhaber einen unglaublich hohen Stellenwert einnimmt, war unser Festival-Debüt bei der SCHUBERTIADE mit Franz Schuberts Lied-Zyklus „Die schöne Müllerin”, das ich zusammen mit meinem Freund Sascha El Mouissi feiern durfte. Mit diesem Königswerk dort debütieren zu dürfen, kam (O-Ton Vorarlberger Nachrichten) zwar einem Ritterschlag gleich, steigerte aber auch die Erwartungshaltung ins Unermessliche. Überhaupt hatten sich im April 2018 die Umstände komplett geändert: Der Kalender, auch abseits der Wiener Staatsoper, war „bummvoll“ und minutiös durchgeplant:  Urlaubstage in Wien waren rar und so fand mein Debüt in Hohenehms zwischen der Generalprobe und Premiere von Zimmermanns „Die Soldaten“ (in beeindruckender Calixto Bieito-Regie) am TEATRO REAL in Madrid statt.
Das Konzert selbst war wie ein wilder Ritt auf der Gefühlsachterbahn: Selten habe ich ein kritischeres Publikum erlebt, selten war ich während eines Liederabends aufgeregter. Der Abend hing eine Zeit lang am berühmten seidenen Faden - Wer ist denn dieser Fingerlos, der heute hier bei uns singen darf? -  Am Ende war es eine gefühlte Ewigkeit still, der Saal und die Künstler waren gerührt. Die VN titelten dann einen Tag später auf ihrer Kulturseite - die letzten beiden Schubertiaden-Konzerte besprechend: „Eine geglückte Müllerin und eine ausgeklügelte Wiener Klassik Abfolge - Bariton Rafael Fingerlos und Pianist Kit Armstrong boten Herausragendes“ Damals war es mir schon bewusst, heute, einige Müllerinnen später und insgesamt einiges an Erfahrungen reicher, umso mehr: Herausragend war es lange noch nicht, aber dafür ehrlich und ordentlich. Dafür bin ich sehr dankbar! 

Wie schön, dass gleich zwei der drei heute vorgestellten Debüts dokumentiert sind: Das gibt mir jetzt, wo die Konzertsäle leider wieder geschlossen bleiben müssen und die Bühnen höchstens per Livestream besucht werden können, noch einmal die Gelegenheit, diese Abende mit dem nötigen Abstand Revue passieren zu lassen. Mit der Erinnerung überkommt mich dann sofort eine stille, tiefe Dankbarkeit und ich kann nicht anders, als mich voller Optimismus und Vertrauen auf alle Herausforderungen zu freuen, die meine Berufung in Zukunft für mich bereithält.

15.Dezember: Von der Liebe zum langsamen Satz: MOZART KLARINETTENKONZERT 2.SATZ

Es ist ganz eigenartig: Egal ob im Streichquartett, in der Klaviersonate, im Solokonzert oder ein einer Symphonie; Es ist immer wieder der langsamen Satz, der es mir besonders angetan hat. Das Adagio, Adagietto oder Andante - jedenfalls jener Teil eines Werkes, in welchem der Komponist seine ganze Seele darlegt und damit auch der Zuhörerin und dem Zuhörer ummittelbar die Herzen öffnet.
Genau das erhoffe oder wünsche ich mir auch persönlich von einer Komposition oder jeglicher musikalischer Darbietung: Dass sie mich bis ins Innerste anspricht, erreicht und vielleicht sogar zu Tränen rührt; Dass sie meine Fantasie anregt und mich inspiriert, mir Freude bereitet oder mich tröstet. Darum höre ich und dafür mache ich Musik. 

Wenn ich ein Werk dann einmal ins Herz geschlossen habe, dann kann ich es hunderte, ja tausende Male anhören und es wird mir nie mehr fad. Ich sehe mich heute noch - meine Ohren in großen Kopfhörern versteckt und mit meiner jeweiligen musikalischen Neuentdeckung in meinem Discman - kilometerweit durch die Mariapfarrer Wälder laufen, immer und immer wieder das gleiche Stück in Dauerschleife hörend.

Mit Virtuosität oder Akrobatik am Instrument oder auch im Gesang (dazu zähle ich auch hohe Töne) kann man mich zwar kurzfristig sehr beeindrucken, aber eben nicht berühren. Wenn ich dann aber eine wunderschöne Melodie, einen unerwarteten Harmoniewechsel (wie etwa bei Schubert und Strauss) oder einfach hochmusikalische Phrasierungen höre, geht mein Herz sofort auf.
Beispiele für solche Werke oder Interpreten, die für genau die genannten Qualitäten stehen, gibt es viele und es sind zum Glück immer wieder Neue zu entdecken. Nicht zuletzt deshalb war es heute besonders schwierig, sich auf ein Video festzulegen. An dieser Stelle wäre es dann wahrscheinlich noch wichtig festzuhalten, dass - neben dem schon so oft angesprochenen Franz Schubert - WOLFGANG AMADEUS MOZART mein absoluter Liebling ist, weshalb ich in meiner heutigen Entscheidungsfindung nicht ganz unparteiisch sein konnte.

Das weltberühmte Klarinettenkonzert in A-Dur (eine gewisse Neigung zum - wenn schön gespielt - wunderbaren Klang dieses Instruments ist mir familiär in die Wiege gelegt) hat MOZART 1791, ungefähr ein Monat vor seinem Tod, vollendet.
Im Beitrag zum Video vom 9.Dezember, in welchem der wunderbare Rubinstein so unvergleichlich schön über Schuberts Quintett spricht, erzählte ich unter anderem von Musik, die vom Irdischen ins Überirdische überleitet. Wenn ich mir insbesondere das ADAGIO des heutigen Konzerts anhöre, dann fühlt es sich so an, als hätte das Genie Mozart schon geahnt, dass es eine seiner letzen Arbeiten sein wird und noch einmal alle, wirklich alle ihm zur Verfügung stehenden Gefühlsregister gezogen.
Was dabei herausgekommen ist, scheint nicht von dieser Welt zu sein: Man hört da plötzlich und paradoxer Weise liebliche Schönheit, Traurigkeit und Trost zugleich. Die Transzendenz ist von der ersten Note an spürbar - da finden sich plötzlich Melodien, Harmonien und Linien, die so schön sind, dass man sich das nicht mehr erklären kann, wie ein einzelner Mensch so etwas schaffen kann.
Dieses Werk - im Video wunderbar interpretiert von Martin Fröst - gehört für mich zu den Allerschönsten der Musikgeschichte. Damit ist es für ich auch die einzig richtige Wahl für das heutige, schon fünfzehnte Türchen - ein sensibler Trost nach den lauten, wütenden Messer-Klängen des gestrigen Tages. Danke, Wolferl!

P.S.: Wenn ich ein Problem habe und dann Mozart höre, denke ich mir oft: Es ist alles halb so schlimm. 


14.Dezember: "Von der Wut und ihrer Auflösung" - ICH HAB' EIN GLÜHEND MESSER & DES LAUTEN TAGES WIRRE KLÄNGE SCHWEIGEN

Liebe Freunde,

Dieses Mal habe ich sehr lange überlegt, ob ich den heutigen Beitrag überhaupt in den Adventskalender aufnehmen soll. Als ich dann die Entscheidung getroffen hab, auch diese Seite zu zeigen, haben sich mir andere Fragen aufgedrängt: Können Wut und Enttäuschung Teil eines Adventskalenders sein und - viel wichtiger - wie kann man solche negativen Gefühle bewältigen und auflösen?  Soll ich auch darüber schreiben?

Wie schon oft kommuniziert ist dieses Herzensprojekt ja auch eine Art persönlicher Jahresrückblick, der nun viel mehr Menschen erreicht, als ich es mir je erhofft hatte. Als solcher gehört das erste Video, der wütende Mahler „ICH HAB EIN GLÜHEND MESSER“ schon aus Gründen der Vollständigkeit in die Sammlung: Mein Auftritt Ende Februar mit  „Lieder eines fahrenden Gesellen“(übrigens auch eines meiner Lieblingswerke) im Elizabethsaal in Antwerpen (aus dem die heutige Liveaufnahme stammt) war mein letzter und dann sogar einziger stattfindender Auftritt in einem sinfonischen Konzert in diesem Jahr. Omer Meir Wellber hat das Niederlande Radiofilharmonisch Orkest dirigiert, ich bin innerhalb von 24 Stunden für einen erkrankten Kollegen eingesprungen:  Am Montag war Bühnenprobe an der Staatsoper, am Dienstagnachmittag kam der Anruf, am Mittwoch Früh saß ich schon im Flieger nach Amsterdam, wo wir dann am Abend einmal geprobt haben. Auch das war einmal meine „Normalität“ - die Anführungszeichen haben im Laufe des Jahres noch einmal eine völlig neue Bedeutung bekommen. Trotzdem waren es rückblickend zwei wunderschöne Konzerte, für die ich im Nachhinein sehr, sehr dankbar bin. 

Der Konzertbereich ist - neben der OPER und dem LIED die dritte Säule, auf der meine Berufung als Sänger aufbaut. Alle anderen Konzerttermine, zuletzt leider auch ein Konzert mit Orchesterliedern am 18.Dezember in Klagenfurt - wurden abgesagt. Ich habe immer versucht zu verstehen, dass wir mit den Maßnahmen viele Menschenleben retten können und auch selbst alles in meiner Macht Stehende zur Eindämmung der Pandemie und zum Schutz meiner Mitmenschen getan. Sehr oft war das aber eben auch mit persönlichen Enttäuschungen verbunden, monatelange Arbeit, Proben und Planungen wurden immer und immer wieder zunichte gemacht. Auch ich musste für mich selbst einen Weg finden, mit der Situation umzugehen. 
Vielleicht ist es mir auch gerade deshalb so wichtig, darüber zu schreiben, weil ich manchmal das Gefühl habe, dass es gesellschaftlich gar nicht so akzeptiert ist, wenn es uns einmal nicht so gut geht. Gerade in einem Jahr, wo jede einzelne Person ähnliche Momente erlebt hat, finde ich es besonders wichtig, darüber offen zu sprechen. 
Es mag jetzt keine große Überraschung sein, dass es eben die Musik war, die mir Halt gegeben hat, aber auch wie ein Ventil für die manchmal aufkommenden negativen Gefühle war. Wenn man mit vollem Körpereinsatz singt, kann das einen kartharsischen Effekt haben - und in manchen Situationen muss es dann auch einmal etwas Größeres, Lauteres sein.  An den eher finsteren Tagen hab ich gesungen, aus voller Brust und mit voller Hingabe. Gustav Mahler hat das in seinen Kompositionen ganz ähnlich gehalten. Er hat seine Emotionen - egal welcher Natur - wie kein anderer mit unglaublicher Authenzitität in Noten verwandeln können. 

Da dies aber ein Adventskalender ist, der den Herzen GUTES tun soll, habe ich nach einem Weg gesucht die wirren Klänge aufzulösen, oder wie es PETER CORNELIUS in seinem Lied so schön ausdrückt - dieselben schweigen zu lassen. Cornelius ist für mich eines der verkanntesten Genies der romantischen, deutschen Musik. Seine Lieder haben etwas unmittelbar Berührendes, Kraftvolles und zugleich Beruhigendes. Darum gibt es heute - zum zweiten Mal - ein weiteres Video, mit meinem Freund Sascha am Klavier: „DES LAUTEN TAGES WIRRE KLÄNGE SCHWEIGEN, UND ALL DER LÄRM UND DRANG VERSCHALLT, VERHALLT“. Die Aufnahme ist übrigens das Originaldemo, das wir damals zusammen mit der schon besprochenen Schubertaufnahme an mein erstes Label geschickt haben, und es kommt gar nicht oft vor, dass Einspielungen für einen selbstkritischen Geist wie mich nach ein paar Jahren noch Gültigkeit haben.  

Ich wünsche Euch allen ,dass Ihr immer einen positiven Weg findet, mit negativen Erfahrungen umzugehen und stets Menschen um Euch habt, die Euch Halt geben, Euch auffangen und zeigen, dass die Kurve - schon von Natur aus - nach der Talsohle wieder nach oben zeigt. Und nicht zuletzt deshalb bin ich gerade im Advent sehr zuversichtlich, dass wir uns auf die kommende Zeit aus tiefstem Herzen freuen können. 

13. Dezember: "Vom Advent" - PFEIFENZEUG BOARISCHER & ADVENTGESCHICHTE

Liebe Freunde,

Wie ich Euch schon einmal erzählt habe, gibt es leider nur zwei existierende Ton-Dokumente unserer FAMILIENMUSIK FINGERLOS in ihrer aktuellen Besetzung (Diatonische Ziehharmonika, Hackbrett, Gitarre, Kontrabass). Eines davon, den LEA WALZER, haben wir beim Öffnen des ersten Türchens kennengelernt, das zweite möchte ich euch gerne heute im Türchen mit der Nummer dreizehn vorstellen.  Untermalt wird der PFEIFENZEUG BOARISCHE, neben dem Lea Walzer so etwas wie unsere Kennmelodie, wieder mit wunderschönen Video-Impressionen aus dem LUNGAU. Ursprünglich für Geigenbesetzung von der in Volksmusikkreisen legendären Kiesenhofer-Geigenmusi komponiert, haben wir diese Stück vor Jahren für uns entdeckt, lieben gelernt und in unserer eigenen, leicht variierten Fassung immer wieder -   besonders gerne auch beim Adventsingen - musiziert. Vor allem hat es mir seit jeher das Trio angetan: Die sich so schöne in dreistimmigen Akkorden aufbauende Melodie berührt mich bei jedem Anhören. In meinem Ohr höre ich die Ziach mit diesen Klängen die wunderbare Akustik der Basilika Mariapfarr ausfüllen.  

Das freie Spielen mit Klang und Akustik und das Entwickeln einer Phrase, wie ich es mit diesem und ähnlichen Stücken auf der Ziehharmonika lernen durfte,  war maßgeblich für meine musikalische Entwicklung und hilft mir noch heute. Die VOLKSMUSIK war immer und ist mein sicherer und geschützter Hafen, an dem ich immer ganz ungezwungen zurück zum Kern meines Musizierens finde.  Insbesondere während des ersten Lockdowns und den damit verbundenen Belastungen konnte ich aus diesen Klängen viel Kraft und neue Motivation schöpfen. Als ich den Pfeifenzeug Boarischen heute nach längerer Zeit wieder einmal angehört hab, ist mir aufgefallen, wie knackig wir die Nachschläge spielen. Schön, wie das groovt und unser blindes einander Verstehen abbildet: So überträgt sich außerdem die unaussprechlich große Freude, die meine Geschwister, mein Papa und ich beim gemeinsamen Musikmachen empfinden dürfen. Je älter ich werde, desto mehr wird mir bewusst, welch ein außergewöhnlich großes Geschenk das ist. 

Jetzt habe ich euch fast meine ganze Familie vorgestellt - ja, fast: Ein ganz besonderer Mensch fehlt noch in dieser Runde: meine liebe MAMA. Von ihr durfte ich die Freude am Schreiben und Lesen lernen, die ich mit diesem Adventkalender wiederentdeckt habe. Deshalb ist es mir auch sehr wichtig, sie mit einer ihrer wunderbaren, selbstgeschriebenen Geschichten vorzustellen. Eine solche Kombination aus unserer Musik und Ihren Werken hätte man übrigens auch bis vor einigen Jahren bei einem Adventsingen in meiner Heimat erleben können.
Einen passenderen Text könnte es für dieses Kalendertürchen es am heutigen, dritten Adventsonntag also gar nicht geben – es berührt mich immer wieder aufs Neue, wie schön unsere Mama, BIRGIT FINGERLOS, diese Begebenheit in ihren Worten erzählt: 


ADVENT

Es war ein nasskalter Dezemberabend in Wien. Die Sonne hatte sich bereits zurückgezogen, die Straßen waren erhellt vom Licht der Straßenlaternen, von den Scheinwerfern der fahrenden Autos und nicht zuletzt von der Weihnachtsbeleuchtung, die alle, die unterwegs waren, wohl daran erinnern sollte, nicht auf die Weihnachtseinkäufe zu vergessen. Ein eisiger Wind blies, - und der Schneeregen tat sein Übriges. Wer noch unterwegs war, versuchte so schnell wie möglich an sein Ziel, am besten nach Hause zu kommen. Zwei junge Männer gingen raschen Schrittes der U-Bahnstation zu, den Mantelkragen hochgeschlagen, beide hatten den Kopf gesenkt, um möglichst wenig von der ungemütlichen Witterung abzubekommen. Sie unterhielten sich angeregt. Die U-Bahnstation war erreicht, sie schüttelten sich kurz, und schon brachte sie eine Rolltreppe eine Etage tiefer. Sie setzten ihren Weg fort und kamen an einem Musiker vorbei, der auf seiner Querflöte für die Vorbeieilenden eine Melodie aus der Zauberflöte blies. Die meisten, die da unterwegs waren, bemerkten ihn kaum, sie waren in ihre eigenen Gedanken versunken oder hörten über die Stöpsel in den Ohren ihr eigenes Musikprogramm.

Der Mann mit der Querflöte trug einen abgewetzten Mantel, sein Gesicht war gezeichnet von einem Leben, das so ganz anders verlaufen war, als er es erhofft oder erträumt hatte. Er zählte wohl zu den gestrandeten Menschen in der Stadt, vielleicht war er auch obdachlos. Vor ihm lag sein Instrumentenkoffer mit einigen wenigen Münzen darin. Die beiden jungen Männer waren schon vorbeigegangen, da blieb der eine abrupt stehen und zupfte seinen Kollegen am Ärmel. „Du, so eilig haben wir’s eigentlich gar nicht, oder? Wart ein bisschen.“ Er ging die paar Schritte zurück und blieb vor dem Musiker stehen. „Das war aus der Zauberflöte. Spiel das noch einmal!“ forderte er den Flötisten auf. Dieser schaute ihn erstaunt an und nickte dann: „Von mir aus, mach ich.“ „Gut, ich stelle mich jetzt neben dich und singe mit. Weißt, ich bin Sänger.“ 
Der am Boden Sitzende wusste offensichtlich nicht recht, was er von dieser Ankündigung halten sollte, aber er begann zu spielen – und der junge Mann setzte mit seiner kräftigen Stimme ein. Er schmetterte die Melodie in den Raum, die Vorbeihastenden drehten ihre Köpfe zu dem ungleichen Paar, viele verlangsamten ihren Schritt, einige kamen näher, blieben stehen und hörten zu. Die Augen des Flötisten begannen zu leuchten wie schon lange nicht mehr. Es schien ihm nicht klar zu sein, ob er wach war oder das alles nur träumte. Viele der Zuhörenden zogen ihre Geldtaschen und warfen ein paar Münzen in den Instrumentenkoffer.
Als der letzte Ton verklungen war, tönte Applaus durch die U-Bahn-Passage. Der junge Sänger schüttelte dem Musiker die Hand: „Danke für die Begleitung – und frohe Weihnachten!“ Dann drehte er sich wieder seinem Freund zu und die beiden verschwanden in der Menge.
Der Mann, der am Boden saß, schüttelte den Kopf. Er lachte über das ganze Gesicht und es schien, als überlege er sich, ob es nicht höchst an der Zeit wäre, wieder an das Christkind zu glauben …

12.Dezember: "Von der Tradition": NINE LESSONS AND CAROLS - Gastbeitrag HOLGER WEMHOF


Liebe Freunde,

Heute wird etwas ausführlicher:

Für die “Halbzeit” meines großen Herzensprojektes hab ich eine besondere vorweihnachtliche Überraschung für Euch: Als ich mit den Planungen des Adventskalenders begann, war mein großer Wunsch, ein oder zwei hochkarätige Gäste zu bitten, ein Türchen zu gestalten.
Lange hab ich überlegt, wen man dafür fragen könnte - ich könnte glücklicher nicht sein, dass sich der großartige HOLGER WEMHOF sofort bereit erklärt hat, ein sehr berührendes Video aus seiner ganz persönlichen Schatzkiste mit uns zu teilen. Den Leserinnen und Lesern aus dem Nachbarland und Klassikfreunden muss ich unseren Gast nicht weiter vorstellen, für alle anderen halte ich mich kurz:
Holger ist Klassik-Starmoderator im deutschen Radio, hat seine eigene Show, unzählige Sendungen, Podcasts, moderiert den Opus Klassik und gilt als großer Fachmann unseres Genres. Es gelingt ihm sehr viele Menschen mit seiner Begeisterung zur Musik zu inspirieren, diesen Wunsch hege ich ja auch mit diesem Kalender.
Bei Künstlerinnen und Künstlern sowie dem Publikum ist er gleichermaßen beliebt - ich durfte selbst zu meiner großen Freude und Ehre im letzten Jahr zwei Mal Gast in seinen Sendungen sein. Sicher hab ich bei dieser Aufzählung einiges vergessen, unbedingt anfügen möchte ich noch, dass er neben seinen so vielen Qualitäten auch ein wunderbarer Mensch ist.

Danke für deinen so schönen Beitrag, lieber Holger!

Euer Rafael


Liebe Freunde von Rafaels musikalischem Adventskalender, lieber Rafael,

darf ich zunächst Danke für die Einladung sagen, als „Gastkurator“ bei Deinem musikalischen Adventskalender tätig zu werden. Große Freude und noch größere Ehre!
Tagelang habe ich in meinem Kopf hin-und hergeschoben, was mein Beitrag zu dieser wundervollen Idee sein könnte. Soll es etwas von Schubert sein, meinem persönlichen „Komponisten-Gott“? Etwas aus der italienischen Opernecke mit Lieblings-Sängerin oder Sänger?

Ich habe mich dann doch für meine dritte große Leidenschaft entschieden. Die Musik zu und an Weihnachten. Und in keinem Jahr wird sie tröstlicher sein (müssen) als in diesem Jahr. In dem Moment, wo ich diesen Text schreibe, deutet sich an, dass Deutschland und auch andere benachbarte europäische Länder, etwaige geplante Lockerungen an Weihnachten wieder zurückzunehmen. Eine Entscheidung, die wir aus Vernunftgründen akzeptieren müssen, wenn uns auch das Leben in den nächsten Wochen einiges an emotionalen Zuständen abverlangen wird.

Was uns zusammenhalten wird, und davon bin ich fest überzeugt, ist die Kraft der Musik, auch und gerade der weihnachtlichen. Eigentlich wäre ich jetzt so allmählich auf dem Weg nach Großbritannien, genauer gesagt nach Cambridge, gewesen, um mir meinen großen musikalischen Traum einmal live zu erfüllen. 

Einmal in meinem Leben das für mich bewegendste Weihnachtskonzert der Welt vor Ort zu hören. Das Traditionskonzert „Nine Lessons and Carols“. Und das singt für mich kein Chor der Welt (auch nicht in Großbritannien) berührender als der an Traditionen so reiche Choir des King´s College in Cambridge. 1441 (!) von Heinrich dem Sechsten gegründet. In der berühmten King´s College Chapel untermalt dieser Knabenchor musikalisch  seit hunderten von Jahren die Gottesdienste dort, aber nirgends im Jahr schöner als beim besagten „Festival of Nine Lessons and Carols“, das seit 1928 von der BBC auch für Millionen von begeisterten Zuhörern aus Cambridge in die ganze Welt übertragen wird. Auch dieses Jahr. Nur in diesem Jahr in reduzierter Form und zum ersten Mal ohne Gemeinde.

Aber auch in diesem Jahr wird es wieder neun Bibelstellen (Nine Lessons) und neun Weihnachtslieder (Nine Carols) geben, die die Millionen auf der ganzen Welt hörend und hoffend mit Cambridge und dem King´s College Choir verbindet.
Seit über 100 Jahren ist der Ablauf dieses weihnachtlichen Gottesdienstes nahezu unverändert geblieben. Und schon der Beginn öffnet Jahr für Jahr mein weihnachtlich wartendes Herz immer weit…Der Chor zieht in die nur mit Kerzen beleuchtete Kapelle ein und singt Henry John Gauntletts „once in Royal David´s City“, eines der schönsten Weihnachtslieder weltweit, das mit einer eigentlich einfachen, aber doch so berührenden Melodie die Weihnachtsgeschichte in vier Strophen nachzeichnet. „Einst in König Davids Stadt…“. Und mit dieser Stadt ist natürlich Bethlehem gemeint.

Die erste Strophe wird von nur einem Mitglied des Knabenchores gesungen. Dieser Moment ist wie ein Lichtstrahl der Hoffnung, der die Dunkelheit durchbricht, ein Strahl, der in den folgenden Strophen immer mehr Mitglieder des Chores, schließlich auch Gemeinde und Orgel mitnimmt. Und am Ende des Liedes (das ja erst der Anfang der „Nine Lessons“ ist) muss man schon ein unbelehrbarer Ebenezer Scrooge sein, um sich nicht weihnachtlich erwärmt zu fühlen.

Lassen wir uns gerade an diesem Weihnachtsfest mehr als jemals zuvor durch die Kraft dieser Musik und den Worten in diesem Text tragen und trösten:

„He was little, weak and helpless,
Tears and Smiles like us He knew;
And He feeleth for our sadness,
and He shareth in our Gladness…“

Ich wünsche Ihnen von Herzen gesegnete, zuversichtliche Weihnachten.
Und mir wünsche ich, DICH, lieber Rafael, bald auf einer Bühne, auf die Du gehörst, wieder live zu erleben.

Ihr und Dein Holger Wemhoff



11.Dezember: „Vom Wachsen und Wandern“ - DER WANDERER AN DEN MOND D870

Liebe Freunde,

„Glücklich, wer wohin er geht, wohl auf der HEIMAT Boden steht“, heißt es in einem meiner absoluten Lieblingslieder, FRANZ SCHUBERTS genialer Seidl-Vertonung vom „Wanderer an den Mond“, D870. 
Wenn ich diese Zeilen singe, erscheint vor meinem geistigen Auge das hintere Weißpriachtal in meiner Lungauer Heimat. Dort wo die blaugrüne Longa durch grüne Wiesen mäandert, sich links und rechts majestätische Berghänge erleben und die kühle, frische Luft von Almkräutern und naturbelassenen Moorwiesen duftet. Das klingt jetzt ein bisschen wie die Einleitung eines Rosamunde Pilcher-Films, aber wer es nicht glaubt, dem sei ein Besuch dieses ausnehmend schönen „Platzerls“ - meiner heimlichen Ruhe und Kraftoase - wärmstens ans Herz gelegt.
Ob als Kind beim Schwammerlsuchen und „Schwochzbee brockn“ (= Heidelbeeren pflücken), in meiner sportlichen Jugend als Laufparadies oder heute als Erholungs- und Kraftquelle  - dieser Ort war, ist und bleibt mir heilig. Wenn man dort übrigens bei Nacht den Blick in Richtung des klaren Firmaments richtet, kann man mit freiem Auge die Himmelskrümmung beobachten, der besungene Mond und die Sterne erscheinen plötzlich erstaunlich nah. Kurzum - ein kleines Paradies, in dessen unmittelbarer Nähe ich aufwachsen durfte.

Apropos wachsen: Es gibt auch Musikstücke, die sich mit einer Sängerin oder einem Sänger mitentwickeln und zu denen man über die Jahre hinweg eine besondere Beziehung aufbaut.
Im Jahr 2015 gab es zum ersten Mal die Möglichkeit, einen Solo-Plattenvertrag mit einem wichtigen Klassiklabel zu unterzeichnen. Mein Klavier-Partner SASCHA EL MOUISSI und ich hatten dafür drei Demos eingespielt, darunter auch das heute besprochene Lied.Voller jugendlichem Elan hatten wir für unsere Interpretation sehr rasche Tempi gewählt und  aus dem Wanderer wurde zwischenzeitlich ein Bergläufer - trotzdem war die Version für den damaligen Zeitpunkt authentisch und frisch.
Unser damaliger Übermut hat uns übrigens auch den Spitznamen „Liedrebellen“ eingebracht,  der vom Namensgeber - einem verdienten, älteren Lied-Doyen - ursprünglich despektierlich gemeint war, den wir aber aus  heutiger Sicht wie ein großes Kompliment empfinden. Wir sehen nämlich es als unseren Auftrag, dem uns so am Herzen liegenden, hier und da etwas verstaubten KUNSTLIED-Genre unsere ganz individuelle Farbe zu geben und keine etablierten Interpretationen zu kopieren.
So hoffen wir, mit diesen musikalischen Perlen möglichst viele Menschen zu berühren und unsere Begeisterung auch einem neuen Publikum weitergeben zu können.
Offenbar hat die rebellische Version übrigens auch den Verantwortlichen des Labels gefallen -zwei Jahre später durften wir unseren sportlichen Wandersmann für die CD-Produktion „STILLE UND NACHT“ einspielen. Bemerkenswert und selbst für uns überraschend war, wie sehr sich in nur vierundzwanzig Monaten unsere Herangehensweise und der Blick auf dieses Stück verändert haben.
Das ist eine ganz besondere Qualität der wunderbaren Zusammenarbeit mit Sascha: Wir versuchen uns stets so wenig wie möglich abzusprechen, um auf der Bühne möglichst spontan, natürlich und „im Moment“ zu sein. Das Fundament für diese Art des Musizierens ist unsere jahrelange enge Freundschaft, ein sensibles Zusammenspiel und großes, gegenseitiges Vertrauen.

Der mittlerweile etwas gemächlichere Wanderer im Video ist übrigens unsere aktuellste Fassung - aufgezeichnet im Oktober beim „Heimspiel“-LIEDERABEND im corona-ausverkauften großen Saal der STIFTUNG MOZARTEUM in Salzburg. .Musizieren durften wir an diesem Abend vor vielen, äußert aufmerksamen und liebenswürdigen Menschen im Publikum: alleine schon deswegen war das für uns ein Höhepunkt dieser Konzertsaison.
Die Vorfreude auf unsere kommenden Konzerte ist groß und wir sind gespannt, wohin uns die schubertsche Wanderung beim nächsten Mal führen wird.

10.Dezember: „Von Hoffnung und Neubeginn“ COSI FAN TUTTE: „SOAVE SIA IL VENTO“

Liebe Freunde,

Es gibt den viel zitierten Spruch: „Wo sich eine Türe schließt, öffnet sich ein neues Fenster“.
Bei allem positiven Lebensgeist war die berufliche Situation in diesem Jahr, vorsichtig ausgedrückt, meist alles andere als erheiternd. Absage folgte auf Absage, manchmal wusste ich schon gar nicht mehr, wie ich diese negativen Nachrichten - auch in ihrer Häufigkeit - kommunizieren soll. Tür um Tür hat sich geschlossen, geöffnet hat sich, zumindest auf den ersten Blick, wenig. An manchen Tagen hat sich in der Folge eine Leere eingestellt, gefolgt von Momenten, an denen ich blind vor Tatendrang fast verzweifelt versucht hab, neue Projekte und Möglichkeiten zu kreieren. Viele dieser Initiativen sind im Sand verlaufen, viel Energie ist auf der Achterbahnfahrt im möglichkeitsleeren Raum verpufft.

Mitte Mai wendet sich das Blatt dann innerhalb weniger Minuten: Mein Telefon läutet, am Apparat ist Barbara Rett, die mich im Auftrag von Intendant Rolando Villazón (der übrigens auch abseits der Bühne ein hocherfreuliches Paradebeispiel eines authentischen, offenen und herzlichen Menschen ist), der Stiftung Mozarteum und ORF III kontaktiert. Innerhalb von sieben Tagen soll eine Konzertproduktion der MOZARTWOCHE aus dem Boden gestampft werden und ich darf mitwirken. In einer Branche, die normalerweise über Jahre hinaus plant, werden plötzlich kreativ und spontan wunderschöne Dinge realisiert. Im Rahmen der Fernseh-Kulturreihe „Wir spielen für Österreich“ stehen Glanzlichter aus dem Opernschaffen WOLFGANG AMADEUS MOZARTs auf dem Programm. Meine große Liebe zu Mozarts Werken habe ich ja schon im vierten Türchen ausführlich beschrieben und als Salzburger ist die Live-Konzertübertragung aus dem Großen Saal der Stiftung Mozarteum alleine schon ob des Aufführungsortes eine große Freude und Ehre.

Wichtiger noch: Plötzlich war da ein Ziel vor Augen, eine sinnvolle Aufgabe und die Möglichkeit, endlich wieder miteinander Musik machen. Eines hat mir dieses denkwürdige Jahr klar vor Augen geführt: Das Wesen unserer Berufung ist das gemeinsame Musizieren - an diesem Abend war das ob der fantastischen Kolleginnen ANDREA CARROLL und MARIANNE CREBASSA eine ganz außergewöhnlich große Freude.
Wir haben aufeinander gehört und uns ganz in den Dienst der himmlischen Klänge gestellt. Die logische Folge war ein Konzertabend, wie man sich ihn nur wünschen kann. Trotz des leider fehlenden Publikums waren in diesem Konzert - und in dieser Hinsicht bleibt es bis zum heutigen Tage die große Ausnahme unter den Streaming-Konzerten - der Zauber und die Spannung einer echten, beseelten Aufführung spürbar. Das lag einerseits an der harmonischen Auswahl wunderbarer Menschen, die an diesem Abend live für Österreich und die die Welt musizieren durften, andererseits aber auch daran, dass an diesem Abend nicht die Künstlerpersönlichkeiten, sondern die Musik im Mittelpunkt stand.
Eine besonders berührende musikalische Erinnerungen dieses Konzertes ist unser Cosi-Terzett “SOAVE SIA IL VENTO” - in dem wir passend zur Situation und voller Hingabe die HOFFNUNG besungen haben. Erfahrungen wie diese sind es auch, die mich in meiner Überzeugung bestärken, dass wir bald GEMEINSAM in eine schöne Zeit übergehen werden, wo solche Sternstunden wieder vor und MIT unserem geliebten Publikum stattfinden können.

Hoffentlich schaffen wir es - gerade in der Kunst - die in der Krise wiederentdeckten Qualitäten wie Demut, Aufmerksamkeit und ein sensibles MITEINANDER wieder mehr in unseren Fokus zu rücken. Weniger Show, mehr Authentizität und ehrliches, qualitativ hochwertiges Handwerk. Vielleicht gelingt auch, genauer hinzuhören und so wieder mehr von den leisen Tönen und echten Emotionen wahrzunehmen, auf der Bühne, im Publikum und unserem privaten Umfeld. Das ist mein großer Wunsch für den Neubeginn.



9.Dezember: „Vom Eingang zum Himmel“ ARTHUR RUBINSTEIN UND DAS SCHUBERT QUINTETT D956

Liebe Freunde,

Oft sprudelt es nur so aus mir heraus, wenn ich meiner großen Begeisterung über die besprochenen Werke Ausdruck verleihen möchte. Als ich vor einiger Zeit begonnen hab, über den heutigen Ausschnitt aus der Rubinstein-Dokumentation „L’amour de la vie“ zu schreiben, fehlten mir zunächst komplett die Worte. Keineswegs war eine kleine Schreibblockade der Grund für den momentanen Stillstand, wie eine solche sich anfühlt, durfte ich durch diesen Adventskalender lernen. Spaß beiseite - diesmal war es ganz anders: Selten sieht oder hört man etwas und denkt sich: Es ist eigentlich schon alles gesagt - dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Darum will ich heute nur versuchen, kurz zu erklären, warum mir aus gutem Grund die Worte fehlen und warum das eigentlich sehr schön ist: Zunächst hört man da Musik, es erklingen die ersten Töne meines (und Rubinsteins) absoluten Lieblingswerk-Satzes, mit unglaublicher Hingabe vom Protagonisten am Flügel gespielt: Das Adagio aus Franz Schuberts Quintett in C, welches der Komponist kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Nach wenigen Augenblicken wird auch Menschen, die diese wundervolle Melodie zum ersten Mal hören, klar, dass es sich hier um ein absolutes Kronjuwel handelt. 
Manchmal - sehr, sehr selten - ist es, als würde Musik vom Irdischen ins Überirdische überleiten, eine Brücke, oder wie Rubinstein es so wunderschön ausdrückt, “das Tor zum Himmel” bilden und den Weg zum eigenen Innersten weisen, zu dem, was wir Seele nennen. Die Töne, die Harmonien, die Melodie - alles verschwimmt und schwebt, wie von Zauberhand. Werk, Interpret und Zuhörer werden zur seligen Einheit.

Der Pianist Arthur Rubinstein - ein ausgewiesener Menschenfreund - hat in seinem Leben alles erlebt und erreicht, was man als Musiker erreichen kann. Und doch, nein, vielleicht gerade deswegen höre ich in seinen Worten keine Spur von Selbstgefälligkeit, Belehrung oder gar Arroganz. Wie er über die Musik, über Schubert, über das Quintett spricht… Es ist fast, als würde ein Kind erzählen, voller Dankbarkeit, voller Begeisterung, voller Liebe, voller Sehnsucht. Und dann fehlen selbst dem großen Meister die Worte: Er schweigt und lässt die Melodie im Gedanken weiterspielen. Und sie erklingt - so spürbar, so nah!

Das ist für mich mit die schönste musikalische Filmminute, die man auf diesem zig Milliarden Videos fassenden Portal finden kann. Bitte hört Euch - irgendwann in einer ruhigen Minute -das ganze Werk oder zumindest den zweiten Satz an. Da ist alles drin, was ich Euch jetzt noch so gerne sagen würde, Ihr aber ohnehin spüren könnt. Vielleicht kann, muss, soll man manche Dinge gar nicht ausdrücken. Da halte ich es lieber wie Rubinstein und höre Franz Schubert zu.

Denn wo das gesprochene und geschriebene Wort endet, beginnt die Musik.

8.Dezember "Vom Spüren und (Volks)Liedersingen" DEINE HÄND' MÖCHT I GSPIAN

Liebe Freunde,

Über meinen Volksmusik-Hintergrund muss ich an dieser Stelle ja nicht mehr ausführlich erzählen.  Seit meiner frühesten Kindheit spielt auch das gesungene Volkslied eine große Rolle in meiner Familie.   Die in meiner Region gesungenen Lieder leben meist von ihren Texten, sind musikalisch eher einfach gehalten.  Mit der Diatonischen Ziehharmonika hab ich mich immer an die Grenzen des Instruments gewagt und dieses sogar extra umgebaut, um den relativ geringen tonalen Möglichkeiten zu entkommen, nun wollte ich das auch in der vokalen Volksmusik erleben. 

Noch während meiner Schulzeit im Lungau ist mir dann zum Glück eine Kopie eines Volkslieds in die Hände gefallen, in einem vierstimmigen Chorsatz notiert. Neben der sich gleich einprägenden, wunderbar einfachen Melodie und den so sensiblen Worten hat mich vom ersten Moment an die Tatsache, endlich ein von Moll nach Dur modulierendes, alpenländisches VOLKSLIED zu hören, fasziniert.  Was ich noch nicht wusste: Es handelt sich um ein vergleichsweise junges Werk vom Kärntner Musiker HANNES BENEDIKT (nach Worten von HUGO BRANDNER), ein Stück, das aufgrund seiner raffinierten Einfachheit innerhalb kürzester Zeit ins Volksliedgut überging.  
Gerade im letzten Jahr habe ich mich für ein aktuelles Projekt intensiv mit Volksliedern unserer Regionen befasst und dabei dieses Juewl wieder gefunden.  SASCHA EL MOUISSI und ich haben davon dann in weiterer Folge relativ spontan eine Kunstliedversion für Klavier und Bariton kreiert, nachdem wir uns zuvor lange mit BRAHMS‘ Versionen der Deutschen Volkslieder befasst hatten und ich dabei speziell mit Gesang im Dialekt experimentiert hatte.  Ursprünglich nur für den Hausgebrauch und zu unserer persönlichen Freude bestimmt (Wohin das führt, sieht man ja gerade wieder an diesem Adventkalender)  ist „Deine Hände’ möchte I gspian“ dann auf der CD „FREMDE HEIMAT“ gelandet und seither auch meist fixer Bestandteil der Zugaben nach unseren Liederabenden - immer gesungen in der Sprache meines Elternhauses. 
Die Stimmung und die Reaktionen die wir beim Musizieren unseres Arrangements erleben dürfen, sprechen für sich und die tief berührende Qualität dieses Liedes, das uns Hannes Benedikt geschenkt hat. Danke! 

Dass wir heute einen musikalischen Kurzfilm sehen, hat auch einen Grund:  Während des ersten Lockdowns im März gab es ja - ähnlich wie aktuell - fast eine überbordende Reizüberflutung an Streamings und Homerecording-Videos. Jede Künstlerin und jeder Künstler wollte irgendwie präsent bleiben.  Mir persönlich ist es nach der ersten großen Absagenflut ganz ähnlich gegangen - ich war voller Tatendrang und wollte für die vielen mir wohlgesinnten Menschen singen. Trotzdem hab ich gezögert: Auf den Social Media- Kanälen haben sich plötzlich Menschen in ihren eigenen vier Wänden mit ihren Mobiltelefonen singend beim Händewaschen oder Kochen gefilmt, der eine oder andere Steinway-Flügel hat durch das Telefonmikro den Klang eines Kinderkeyboards angenommen.  
Das hat mich sehr verunsichert - dieser Trend hat allem widersprochen, wofür ich tagtäglich mein geliebtes Handwerk ausübe und entwickle. Ich habe es so gehalten, wie ich es in ähnlichen Situationen oft getan habe und länger nachgedacht und beobachtet.
Weniger ist mehr, lieber etwas Kleines, Schönes, als tägliche Präsenz. Zusammen mit Sascha El Mouissi wollte ich etwas entwickeln, was auch nach dieser Zeit Wert und Bestand hat und über das wir uns auch später noch freuen. Zusammen mit der hochtalentierten, jungen Designerin PIA PLANKENSTEINER entstand schließlich in vielen Stunden Handarbeit und ausschließlich im Homeoffice ein Musikvideo zu „DEINE HÄND’ MÖCHT I GSPIAN“. Ein echtes Heimprodukt also, selbstgestrickt und voll mit Emotionen und Energie - die war ja zuhauf vorhanden. 

Irgendwie hat sowohl das Lied, als auch der einfach gehaltene Kurzfilm in einer Zeit, wo gerade das Umarmen und Spüren der Hände vom einen auf den anderen Tag zur Seltenheit wurde, offenbar einen Nerv getroffen und Trost gespendet. Wer hätte damals gedacht, dass wir davon in diesem Jahr noch so viel brauchen würden! 

Euer Rafael

7.Dezember "Von den Sternen" NIMROD

Liebe Freunde,

Viele von Euch kennen das Gefühl: Man sitzt im Konzert und wartet auf diese eine Stelle.
Es soll ja sogar Menschen geben, die nur wegen dieses einen Moments im Publikum sitzen. Natürlich scheut man sich das zuzugeben, weil man ja immer das Werk als Gesamtkunstwerk betrachten sollte...
Und dann kommt sie, die Stelle - man blickt sich vorsichtig um und sieht: Es geht allen gleich. Gänsehaut, glitzernde, ja manchmal feuchte Augen, völlige Ruhe und zugleich eine Spannung, die alle den Atem anhalten lässt. Aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen: Auch den Musikerinnen und Musikern auf der Bühne geht es gleich.

Wenn man mich nach einem Grund fragen würde, warum ich MUSIK mache, dann wäre die ehrliche Antwort: Weil sie mich tief berührt und es mein höchstes Ziel ist, andere Menschen zu BERÜHREN, vom ersten Ton an.
Manche geniale Melodien, Harmonien oder ganze Werke tragen genau diese Qualität in sich: Sie treffen jeden Menschen - egal ob Klassikkenner oder Klassik-Kennenlerner - von der ersten Sekunde an und unmittelbar ins Herz. Solche musikalisch-emotionalen (Voll)“Treffer” würde man im modernen Sprachgebrauch wahrscheinlich als “HITS” bezeichnen.
Rückblickend waren es genau solche Hörerfahrungen, die meinen persönlich den Weg in die wunderbare Welt der Klassischen Musik geprägt und mir damit eine völlig neue - mich immer wieder aufs neue begeisternde - Perspektive eröffnet haben. Und genau diese BEGEISTERUNG möchte ich mit möglichst vielen lieben Menschen teilen: Sollte nur ein einziges Türchen bei irgendjemandem eine ähnliche Gefühlsregung auslösen, dann hätte dieser MUSIKALISCHE ADVENTSKALENDER seine Bestimmung mehr als nur erfüllt.

Der heutige Tag gehört einem Stück, welches allen oben angesprochenen Parametern entspricht und das man getrost als “STAR” des romantischen, englischen Repertoires bezeichnen könnte. Ganz egal, wie oft ich dieses wunderbare Werk höre - es löst wieder und wieder tiefe Emotionen in mir aus.
Besonders schön und gefühlvoll interpretiert von Mikko Franck und dem Orchestre philharmonique de Radio France: Bühne frei für den hellsten Stern aus EDWARD ELGARS - natürlich auch als Gesamtkunstwerk wundervollen - "ENIGMA VARIATIONEN": NIMROD. 


Euer Rafael

6. Dezember „Vom Gedenken und der Kirchenmusik“ TRANSEAMUS USQUE BETHLEHEM

Heute hören wir ein Stück, dass ich eigentlich erst für den 23. Dezember geplant hatte und jetzt spontan vorgezogen habe. Das hat einen ganz einfachen, persönlichen Grund: Diese relativ frühe Aufnahme von mir  - entstanden im Jahr 2014 - ist gleichzeitig ein seltenes musikalisches Dokument einer engen Freundschaft mit dem Dirigenten des heutigen Videos, ARMIN KIRCHER.

Kirchenmusik-Liebhabern unter Ihnen wird der Name bestimmt etwas sagen und unter den vielen Freunden, die diesem Adventskalender folgen gibt es auch einige, die diesen großartigen Menschen persönlich gekannt haben. Für mich und meine Familie war er zugleich enger Freund und Förderer der ersten Stunde. Zudem war er eine Person, mit der man immer viel Spaß haben, aber auch großartig und auf höchstem Niveau musizieren konnte. Armins Initiative und Einladung war der Hauptgrund, nach dem Studium aus Wien nach Salzburg, mitten ins Herz der Altstadt zu ziehen und dort in einer Wohnung in den Gemäuern des Klosters St. Peter eine private und musikalische Heimat zu finden.  Wir durften in dieser besonderen Umgebung eine einzigartige, unglaublich schöne Zeit erleben und denken oft und gerne dankbar zurück.

Der liebe Armin, langjähriger Stiftskapellmeister zu ST.PETER in SALZBURG, der im Oktober 2015 mit erst 49 Jahren leider viel zu früh von uns gegangen ist, hätte heute am 6.Dezember mit uns seinen Geburtstag gefeiert, höchst wahrscheinlich ihm Rahmen eines seiner legendären Feste. Er feiert jetzt woanders, schaut dabei uns herunter und freut sich heute bestimmt, unser „Transeamus“ zu hören - wer möchte kann es natürlich am 24. Dezember noch einmal erklingen lassen. Die „TRANSEAMUS USQUE BETHLEHEM“ - Vertonung von JOSEF SCHNABEL ist nämlich vor allem im deutschsprachigen Raum fester musikalischer Bestandteil der Weihnachtsfeierlichkeiten und für mich während der Christmette seit jeher ein Höhepunkt.
Dieses Stück war übrigens auch das erste „klassische“ Werk , welches ich mit Orchesterbegleitung singen durfte, zusammen mit dem Kirchenchor und Kirchenorchester Mariapfarr, bei mir daheim im Lungau - ich muss 16 oder 17 Jahre alt gewesen sein. Einige Jahre lang war ich schon beim Weihnachtsessen und bei der Bescherung ganz schön nervös, weil ich im Anschluss in der Mette singen durfte. Das Erlebnis, dann in der eiskalten, bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche in feierlichster Stimmung und traumhafter Akustik dieses besondere Stück erklingen lassen zu dürfen war dann stets ein sehr intensiver Moment, eine besondere Ehre und tiefe Inspiration für meinen weiteren Weg.

Begeben wir uns gemeinsam auf eine Adventreise nach Bethlehem, begleitet vom wunderbaren Chor und Orchester der STIFTSMUSIK St. Peter/Salzburg und dem ehrwürdigen Herrn Erzstiftskapellmeister.

5. Dezember 2020: „Von Vorfahren und Lieblingskomponisten“: STÄNDCHEN D920 „ZÖGERND LEISE“

Liebe Freunde, 

Heute muss ich etwas ausholen: Am 11. August 1827 erklang dieses wunderbare Musikstück für Solo-Frauenstimme und (Männer)Chor zum allerersten Mal im Garten der Familie Gosmar in Döbling.  
Frau KATHI FRÖHLICH hatte das musikalische Juwel anlässlich des Geburtstages von Louise Gosmar (später LOUISE SONNLEITHNER) bei FRANZ SCHUBERT in Auftrag gegeben.  Louise Gosmar war die Verlobte von LEOPOLD SONNLEITHNER, einem langjährigen Freund der Familie Fröhlich.  Den Text zu diesem Werk steuerte ein weiterer, enger Verwandter von Leopold Sonnleithner bei, FRANZ GRILLPARZER, der Lebensgefährte von Kathi Fröhlich. Die Familie Sonnleithner war es übrigens auch, die die ersten Schubertiaden in ihren Privat-Räumlichkeiten veranstaltet hat und das Genie meines absoluten  Lieblingskomponisten früh erkannt und ihn Zeit seines Lebens gefördert hat. Warum ich Euch das alles erzähle? 

188 Jahre später: wir schreiben den 12. November 2015 und befinden uns im Theater MuTH der Wiener Sängerknaben. Burgschauspielerin PETRA MORZÉ hat soeben Ihre Rezitation beendet und die  wunderbare, österreichische Mezzosopranistin MAGDALENA RÜKER und der Chorus Juventutis der WIENER SÄNGERKNABEN haben am Konzertpodium Aufstellung genommen.  SASCHA EL MOUISSI, mein langjähriger Lied-Partner und Freund, beginnt am Flügel mit den ersten, berührenden Takten des Ständchens D920. 
Was nur wenige der Zuhörerinnen und Zuhörer wissen: Die Solistin, die in wenigen Sekunden mit ihrer wunderschönen Stimme „ZÖGERND LEISE“ singen wird, ist die Ur-Ur-Ur-Urenkelin  von Louise Sonnleithner und Ur-Ur-Ur-Urnichte von Franz Grillparzer.  Jeder im Saal spürt den Zauber dieses besonderen Moments und wird Zeuge einer außergewöhnlichen Interpretation.  Selten zuvor war dieses  Stück mit mehr Gefühl und persönlicher Geschichte erfüllt.  Ich selbst durfte diesen besonderen, historischen Moment als glücklicher und tief berührter Zuhörer miterleben.  Kaum je war der Geist der beiden Genies SCHUBERT und GRILLPARZER für mich im Konzert stärker spürbar.  Wie schön, dass es davon ein Live-Tondokument gibt! 

In diesem Moment war ich wieder einmal - wie immer - sehr, sehr stolz auf die Künstlerin dieses denkwürdigen Abends - meine Frau! Natürlich nicht nur, aber auch wegen Ihres so schönen, immer berührenden Gesangs und Ihrer großen Musikalität.

 
Euer Rafael