19.Dezember "Von der Romantik" - RIENZI OUVERTÜRE & CHRISTIAN THIELEMANN

Mit dem letzten hier vorgespielten Orchesterstück, der wundervollen Alpensinfonie von Richard Strauss, habe ich ja schon meinen Hang zur hochromantischen Orchestermusik offenbart. Die Dramaturgie macht es relativ schwer, nach diesem symphonischen Gipfelsieg  - ohne größere Fallhöhe - noch etwas ähnliches zu präsentieren oder gar „einen drauf zu setzen“. Wenn es  - meiner persönlichen Meinung nach - einen Komponisten der (Hoch)Romantik gibt, den man am ehesten in einem Atemzug mit Richard Strauss nennen könnte, ja vielleicht sogar muss, dann wäre sein Namensvetter Richard Wagner. Wagner war mit seiner Tonsprache, Motivik, Orchestrierung und seinem künstlerischen Gesamteinfluss, Grundlage und Vorbild für fast alle seiner Nachfolger und Nacheiferer.

Als eingefleischten Wagnerianer würde ich mich zwar nicht unbedingt bezeichnen (wobei man hier vielleicht ein „noch“ einfügen sollte - ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen die irgendwann in diese Welt hineingewachsen sind) - und doch lässt mich diese Tonsprache nicht los und die Musik übt eine riesengroße Faszination auf mich aus. Da in dieser Saison meine (leider abgesagten) Debüts als BECKMESSER und WOLFRAM angestanden wären, habe ich mich in letzter Zeit besonders intensiv mit Wagners Musik beschäftigt. Für fast jedes Werk gilt, dass es seiner Gesamtheit eine unglaubliche Dimension und fast nicht zu beschreibende Kraft hat. Vor allem sind es im Endeffekt aber - wie heute in der RIENZI-OUVERTÜRE - einzelne Themen und Melodien, die mich auf eine unbeschreibliche Art und Weise packen und berühren.

Dass ich eine von CHRISTIAN THIELEMANN dirigierte Aufnahme ausgesucht habe, ist kein Zufall:
Im September 2017 durfte ich ihn im Rahmen einer Arbeitsprobe an der Semperoper persönlich kennenlernen, ich habe etwa fünf Minuten vorgesungen und er hat mich prompt als  Harlekin „seiner“ Ariadne-Premiere im November 2018 engagiert. Das war dann auch unsere erste Zusammenarbeit, es folgten in der vorigen Saison eine legendäre „Frau ohne Schatten“ an der Wiener Staatsoper sowie ein Gastauftritt im Pausenfilm „seines“ Neujahrskonzertes 2019 mit den Wiener Philharmonikern. 
Seine unfassbare Musikalität, sein außergewöhnliches Gespür für Klang und das Orchester, sein unbändiger Wille zur Perfektion und seine in dieser Form nur ganz selten erlebte Fachkompetenz - all diese Qualitäten machen ihn für mich zu einem der allergrößten Meister unserer Zeit. Persönlich half er mir besonders, da er mir als ganz junger Sänger so spürbar das Vertrauen schenkte und dies unterstrich, indem er mich in den Vorstellungen, unter anderem während der Harlekin-Arie, ganz frei musizieren ließ und, sich zurückgelehnt mich wundervoll musikalisch getragen hat. Ich habe das als große, außergewöhnliche Ehre empfunden und in unserer Zusammenarbeit auf der Bühne so viel gelernt wie nie zuvor.

Über Herrn Thielemann könnte ich einen ganzen, eigenen Beitrag schreiben, ein mich sehr beeindruckendes Erlebnis möchte ich an dieser Stelle erzählen: Bei einer Bühnenprobe der “Frau ohne Schatten” an der Staatsoper gab es eine heikle Ensemblestelle und ich hatte einen musikalisch etwas schwierigen Einstieg, der noch dazu durch die - aus szenischen Gründen - große Distanz und schlechte Sicht erschwert wurde. Aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund hat die Stelle gar nicht funktioniert - ich war mir relativ sicher, dass ich korrekt gesungen hatte. Dann passierte folgendes: Thielemann bricht ab. 8 von 10 Dirigenten würden jetzt - zumindest meiner Erfahrung nach und ganz besonders, wenn es sich um ein weltberühmtes Orchester handelt - dem jungen Sänger auf der Bühne die Schuld geben, ein Exempel statuieren, versuchen dadurch Konzentration und Autorität zu kreieren und dann fortfahren.
Nicht so geschehen in dieser Situation: Thielemann bleibt ganz freundlich und ruhig, blickt in die hundert Stimmen fassende und so komplizierte Partitur, und bittet dann das zwei Instrumentalisten höflich, im Takt davor nicht zu laufen, da der arme Sänger sonst keine Chance hätte. Die beiden nicken tragen das ein, wir wiederholen die Stelle unaufgeregt und sie funktioniert von da an in jeder einzelnen Vorstellung perfekt. Dieser Blick fürs kleinste Detail - immer im Sinne der Musik und Qualität -  gepaart mit seiner fachlichen Autorität, Fairness und direkten Art haben bei mir tiefen Eindruck hinterlassen. 

Nicht zuletzt schätze ich an der heutigen Aufnahme besonders, dass sie in der SEMPEROPER DRESDEN aufgezeichnet wurde. Wie ihr ja mittlerweile wisst, durfte ich in diesem ehrwürdigen Haus mein Operndebüt feiern und seitdem seine überragende AKUSTIK in vielen Vorstellungen genießen. Dieses Merkmal macht sie auch für Konzerte wunderbar geeignet, man findet dort - auch als Sänger - gerade zu ideale Bedingungen vor. Ein zweiter Grund für meine hohe Affinität zu diesem, meinem zweiten Herzenhaus ist die dort ansäßige STAATSKAPELLE DRESDEN, die mich bei jedem gemeinsamen Musizieren aufs Neue durch Ihre Vielseitigkeit, ihren zauberhaften Streicherklang, ihr Zusammenspiel und Ihre so auffallend hohe Gesamtmusikalität beeindruckt. All diese Attribute werden unter der Leitung Ihres Chefdirigenten besonders hör- und spürbar.