12.Dezember: "Von der Tradition": NINE LESSONS AND CAROLS - Gastbeitrag HOLGER WEMHOF


Liebe Freunde,

Heute wird etwas ausführlicher:

Für die “Halbzeit” meines großen Herzensprojektes hab ich eine besondere vorweihnachtliche Überraschung für Euch: Als ich mit den Planungen des Adventskalenders begann, war mein großer Wunsch, ein oder zwei hochkarätige Gäste zu bitten, ein Türchen zu gestalten.
Lange hab ich überlegt, wen man dafür fragen könnte - ich könnte glücklicher nicht sein, dass sich der großartige HOLGER WEMHOF sofort bereit erklärt hat, ein sehr berührendes Video aus seiner ganz persönlichen Schatzkiste mit uns zu teilen. Den Leserinnen und Lesern aus dem Nachbarland und Klassikfreunden muss ich unseren Gast nicht weiter vorstellen, für alle anderen halte ich mich kurz:
Holger ist Klassik-Starmoderator im deutschen Radio, hat seine eigene Show, unzählige Sendungen, Podcasts, moderiert den Opus Klassik und gilt als großer Fachmann unseres Genres. Es gelingt ihm sehr viele Menschen mit seiner Begeisterung zur Musik zu inspirieren, diesen Wunsch hege ich ja auch mit diesem Kalender.
Bei Künstlerinnen und Künstlern sowie dem Publikum ist er gleichermaßen beliebt - ich durfte selbst zu meiner großen Freude und Ehre im letzten Jahr zwei Mal Gast in seinen Sendungen sein. Sicher hab ich bei dieser Aufzählung einiges vergessen, unbedingt anfügen möchte ich noch, dass er neben seinen so vielen Qualitäten auch ein wunderbarer Mensch ist.

Danke für deinen so schönen Beitrag, lieber Holger!

Euer Rafael


Liebe Freunde von Rafaels musikalischem Adventskalender, lieber Rafael,

darf ich zunächst Danke für die Einladung sagen, als „Gastkurator“ bei Deinem musikalischen Adventskalender tätig zu werden. Große Freude und noch größere Ehre!
Tagelang habe ich in meinem Kopf hin-und hergeschoben, was mein Beitrag zu dieser wundervollen Idee sein könnte. Soll es etwas von Schubert sein, meinem persönlichen „Komponisten-Gott“? Etwas aus der italienischen Opernecke mit Lieblings-Sängerin oder Sänger?

Ich habe mich dann doch für meine dritte große Leidenschaft entschieden. Die Musik zu und an Weihnachten. Und in keinem Jahr wird sie tröstlicher sein (müssen) als in diesem Jahr. In dem Moment, wo ich diesen Text schreibe, deutet sich an, dass Deutschland und auch andere benachbarte europäische Länder, etwaige geplante Lockerungen an Weihnachten wieder zurückzunehmen. Eine Entscheidung, die wir aus Vernunftgründen akzeptieren müssen, wenn uns auch das Leben in den nächsten Wochen einiges an emotionalen Zuständen abverlangen wird.

Was uns zusammenhalten wird, und davon bin ich fest überzeugt, ist die Kraft der Musik, auch und gerade der weihnachtlichen. Eigentlich wäre ich jetzt so allmählich auf dem Weg nach Großbritannien, genauer gesagt nach Cambridge, gewesen, um mir meinen großen musikalischen Traum einmal live zu erfüllen. 

Einmal in meinem Leben das für mich bewegendste Weihnachtskonzert der Welt vor Ort zu hören. Das Traditionskonzert „Nine Lessons and Carols“. Und das singt für mich kein Chor der Welt (auch nicht in Großbritannien) berührender als der an Traditionen so reiche Choir des King´s College in Cambridge. 1441 (!) von Heinrich dem Sechsten gegründet. In der berühmten King´s College Chapel untermalt dieser Knabenchor musikalisch  seit hunderten von Jahren die Gottesdienste dort, aber nirgends im Jahr schöner als beim besagten „Festival of Nine Lessons and Carols“, das seit 1928 von der BBC auch für Millionen von begeisterten Zuhörern aus Cambridge in die ganze Welt übertragen wird. Auch dieses Jahr. Nur in diesem Jahr in reduzierter Form und zum ersten Mal ohne Gemeinde.

Aber auch in diesem Jahr wird es wieder neun Bibelstellen (Nine Lessons) und neun Weihnachtslieder (Nine Carols) geben, die die Millionen auf der ganzen Welt hörend und hoffend mit Cambridge und dem King´s College Choir verbindet.
Seit über 100 Jahren ist der Ablauf dieses weihnachtlichen Gottesdienstes nahezu unverändert geblieben. Und schon der Beginn öffnet Jahr für Jahr mein weihnachtlich wartendes Herz immer weit…Der Chor zieht in die nur mit Kerzen beleuchtete Kapelle ein und singt Henry John Gauntletts „once in Royal David´s City“, eines der schönsten Weihnachtslieder weltweit, das mit einer eigentlich einfachen, aber doch so berührenden Melodie die Weihnachtsgeschichte in vier Strophen nachzeichnet. „Einst in König Davids Stadt…“. Und mit dieser Stadt ist natürlich Bethlehem gemeint.

Die erste Strophe wird von nur einem Mitglied des Knabenchores gesungen. Dieser Moment ist wie ein Lichtstrahl der Hoffnung, der die Dunkelheit durchbricht, ein Strahl, der in den folgenden Strophen immer mehr Mitglieder des Chores, schließlich auch Gemeinde und Orgel mitnimmt. Und am Ende des Liedes (das ja erst der Anfang der „Nine Lessons“ ist) muss man schon ein unbelehrbarer Ebenezer Scrooge sein, um sich nicht weihnachtlich erwärmt zu fühlen.

Lassen wir uns gerade an diesem Weihnachtsfest mehr als jemals zuvor durch die Kraft dieser Musik und den Worten in diesem Text tragen und trösten:

„He was little, weak and helpless,
Tears and Smiles like us He knew;
And He feeleth for our sadness,
and He shareth in our Gladness…“

Ich wünsche Ihnen von Herzen gesegnete, zuversichtliche Weihnachten.
Und mir wünsche ich, DICH, lieber Rafael, bald auf einer Bühne, auf die Du gehörst, wieder live zu erleben.

Ihr und Dein Holger Wemhoff