Liebe Freunde,
Wann immer ich dieses denkwürdige Werk höre oder selbst singen darf, kann ich es kaum fassen, wie der erst 18-jährige Erich Wolfgang Korngold so etwas unglaublich Schönes und Zeitloses komponieren konnte und dafür noch vom eigenen Vater, der ein gefürchteter Musikkritiker war, völlig ungerecht beurteilt wurde.
Diese tiefe Sehnsucht, das fast überbordende Gefühl, die sich sofort direkt ins Herz einprägende Melodie - verbunden mit einer dichten, manchmal fast jugendlich übertriebenen, mit tausend Farben gefüllten Orchestrierung machen die Arie des Fritz - vielleicht neben dem Duett "Glück, das mir verblieb" - zum Höhepunkt der Oper "Die tote Stadt". Als Zuhörer lässt mich das Gefühl nie los, dass der junge Korngold schon fast visionär und voller Traurigkeit vom Sehnen und Abschied erzählt.
Einige Jahre später war es so weit: Der Nationalsozialismus zwingt eines der größten musikalischen Genies unserer österreichischen Musikgeschichte zur Emigration.
Für mich persönlich ist es eines jener Werke, die mich von Beginn meiner Sängerlaufbahn begleiten und mit mir mitwachsen. Jede Interpretation auf jeder Entwicklungsstufe verbinde ich mit einer großen Emotion, noch stärker, als ich es mit vielen anderen Stücken erlebe.
Wir erleben heute die Premiere eines Livemitschnitts vom 5.Juli 2020 aus dem Großen Saal des Brucknerhaus Linz - mit den großartigen Musikerinnen und Musikern des österreichischen Orchesters Divertimento Viennese, dirigiert vom ebenso großartigen Vinzenz Praxmarer.
Die Tatsache, dass dieser Auftritt europaweit eines der ersten Orchesterkonzerte war, welches nach Lockdown l wieder vor ein paar hundert Menschen stattfinden durfte, brachte die besungene Sehnsucht besonders stark zum Klingen.
Euer Rafael